Kennt ihr das Gefühl, wenn Spielen sich weniger wie ein Vergnügen und mehr wie eine Verpflichtung anfühlt? Wenn ihr so viel Zeit, Geld oder Aufwand in einen Titel investiert, obwohl ihr euch immer wieder bei dem Gedanken ertappt, dass es eigentlich keinen Spaß macht? – Dann seid ihr genau richtig, denn wir sprechen über Spiele, die wir abgebrochen haben und beurteilen rückblickend, ob das die richtige Entscheidung war.
Außerdem geht es um die Nominierung von Kingdom Come: Deliverance für den Deutschen Computerspielpreis, verschiedentliche Gründe für ein Verkaufsverbot von Spielen und Microtransactions.

Inhalt:
00:00:00 – 00:29:09 Spielewoche
00:29:09 – 01:13:27 Presseschau
01:13:27 – 02:18:10 Thema der Woche
Shownotes:
- Pixeldiskurs-Podcast #107 – Vergangenheitsatmosphären
(mit Felix Zimmermann) - Pixeldiskurs-Podcast #79 – Authentizität und Rassismus (mit Jan Heinemann)
- Pixeldiskurs-Podcast #70 – Zeitfresser
- Find Out Why These 15 Controversial Games Have Been Banned (Matthew Walden)
- What Red Dead Redemption 2 gets right about having a terminal disease (Eirik Gumeny)
- It’s Okay To Stop Playing (Zack Zwiezen)
- “Vom rechten Bild des Mittelalters” – Stimmen aus dem AKGWDS zur Nominierung von “Kingdome Come: Deliverance” für den Deutschen Computerspielpreis 2019
Zwei kurze Argumente für F2P:
– Hohe Einstiegspreise sind Gatekeeper die weniger wohlhabende Spieler raushalten.
– In fairen Titel sind „die sich kumulierenden Microtransactions“ freiwillige Zahlungen. Es ist eben kein verstecktes Jamba Spar-Abo. Ich entscheide aufgrund von persönlichen Preferenzen, dass ich diesen Hut möchte und mir dafür die 2€ wert sind. Das ist genau das Selbe wie wenn ich Markenkleidungsstücke, teure Autos oder ein iPhone im Geschäfft. Auch dort ist der Kaufpreis nicht einfach eine Funktion des Nutzwerts, sondern ergibt sich auch as der sozialen Prestige, die das Produkt auf den Besitzer abstrahlt.
Leseempfehlung: Aesthetics and Cosmetic Microtransactions in Path of Exile von Mateusz Felczak.
Ist nicht komplett von der Hand zu weisen, dennoch ist gerade das zweite Argument mit einer Vielzahl anhängender Probleme erkauft: Erstens bedeutet Free-to-play, dass das Spiel exklusiv über Microtransaktionen oder ebenjenen plus zusätzlicher Founders-Packs (und der gleichen mehr) finanziert. Es existiert also ein Anreiz für das Entwicklungsteam die Anreize für den Kauf innerhalb des Spiels zu vergrößern, wodurch sie letztlich das Design anpassen müssen, um dieses Ziel effektiv zu erreichen. Stark gehemmte Progression nach den ersten paar Stunden, kleineres Inventar, absurde (in-game) Preise für Ausrüstung, die ab einem gewissen Punkt notwendig wird und deren wesentlich leichtere Beschaffung durch Premium-Währungen wäre dazu Beispiele. Letzteres fällt sogar mit der Balance von ludisch-statistischer Progression zusammen, denn wenn es ohnehin extrem lange dauert – und dazu wenig fordernd gestaltet ist – führt auch das langsame Aufleveln zum Verkauf von mehr EXP-Boostern oder die spärliche Entlohnung mit (in-game) Währung nebst der hohen Preise zum Griff in den Geldbeutel, da Progression an dieser Stelle beinahe zum erliegen kommt, sollte eben nicht bezahlt werden.
Natürlich ließe sich dazu anmerken, dass ich ja schon einige Zeit spiele und das Entwicklungsteam nun durchaus eine monetäre Kompensation verdiene, allerdings gibt es hierfür ein weithin bekanntes System: Das Spiel – oder andere Produkt – zu verkaufen. Außerdem gefährdet der Verkauf des Spiels keine psychisch anfälligen Individuen viel Geld in einem Free-to-play-Titel zu versenken, bloß weil dieser gewisse Reaktionen bedient. Nicht umsonst existiert der Begriff „whales“ – als äußerst widerlicher Vergleich – für diejenigen Personen, welche eminent mehr Geld innerhalb eines solchen Systems ausgeben, als neunzig Prozent der restlichen Spieler_innen. Und dabei reden wir nun über vier bis fünfstellige Beträge. Bei einem Verkauf des Spiels als Spiel viele diese manipulative Komponente weg. Außer diese Spiele monetarisieren sich ebenso, was allerdings ebenso hemmend, abwertend und widerlich daherkommt und durch striktes Ignorieren besagter Titel gestraft werden muss. Zudem existieren zumindest erste gesetzliche Lösung für diese Fälle, im Free-to-play-Segment sieht es da weniger danach aus.
Zweitens stößt der Vergleich zum Kauf von Markenprodukten etwas sauer auf, denn diese wären ja wenigstens Produkte, die du effektiv für etwas nutzen kannst und die selbstzweckhaft sind. Der Hut innerhalb Team Fortress 2 hingegen hat den Zweck deine Figur, welche Interaktion im virtuellen (Spiel-)Raum vermittelt visuell abweichend von der Norm zu gestalten. Auch kosmetische Gegenstände werden dabei – im überwiegenden Fall – bewusst dem eigentlichen Spiel ‚entnommen‘. Damit meine ich, dass sie bewusst als Kontrast zur normalen Auswahl kosmetischer Gegenstände designt werden – also besser aussehen, ein komplett abweichendes Farbschema besitzen, etc. – und ebenso zum Kauf durch ‚Echtgeld‘ anregen sollen. Wenn ich selbst mir eine Hose kaufen möchte, dann brauche ich wahrscheinliche Bekleidung und die Abwägung ein teureres, mit einer Marke verknüpftes Exemplar zu erwerben, wäre eine Modifikation meines Bedürfnisses nach Kleidsamkeit. Innerhalb des virtuellen Raumes hingegen habe ich eine Auswahl an Bekleidung, welche intra-diegetisch gesetzt und mit ebenjener Währung bezahlt wird. Es existiert keine soziale Norm – nebst (gesetzlicher) Sanktionen – sollte ich mich nicht kleiden wollen und nackt bzw. in Unterwäsche herumlaufen. Ob ich nun allerdings meine Figur besonders ‚cool‘ gestalten möchte, ist wieder eine andere Frage, der Zweck ist nicht im virtuellen Kleidungsstück selbst, sondern allein dessen sozial-kommunikativer Potenz. Weiterhin haben diverse Multiplayer-Titel über Jahre ihre Anpassungsoptionen – ebenso wie jedes andere Spiel – durch ludisch-mechanische Herausforderungen abgesteckt. Ich brauche eine gewisse Anzahl von Abschüssen mit einer gewissen Waffe in – beispielsweise – Call of Duty 4: Modern Warfare, um eine bestimmte Tarnung dafür zu erhalten. Oder muss eine bestimmte Quest in einem beliebigen Rollenspiel bestreiten, damit ich die Baupläne für eine Rüstung erhalte, welche in danach noch an fertigen muss. Es wird innerhalb der ludisch-mechanischen und narrativen Dimensionen der jeweiligen Spiele gelöst. Erst DLC und Free-to-play haben davon abgesehen diesem Konzept zu folgen und schlicht Aspekte aus dem Spiel entfernt – bzw. Aspekte genau für den separaten Verkauf entwickelt – wodurch sie für zusätzliche Profite verkauft werden können. Auch wenn ich Jim Sterling in sehr vielen Dingen nicht zustimme und seine Argumente oft willentlich verkürzt sind (außer wenn es um Unionization geht, da bin ich absolut für), hat der dennoch gut zusammengefasst, wie wenig die „it’s just cosmetic“-Ausrede wirklich zieht.
Drittens rückt Free-to-play die Produktkomponente von Videospielen noch wesentlich stärker in den Fokus, indem es ebenjene gleich eines Autos behandelt, zu dessen basaler Funktionalität noch die Klimaanlage, Heizung und Becherhalter (ich kenne mich mit Autos wirklich nicht ausund sie interessieren mich auch kein bisschen) hinzugekauft werden können. Es ist dadurch eben wieder „nur ein Spiel“, dessen künstlerische Integrität und mögliche kulturelle Potenz keine Rolle spiele (haha). Damit wird auch derart kurzsichtigen und schlicht gefährlichen Positionen Nährboden geboten, wie die postulierte – ja propagierte – apolitische Haltung eines The Division 2. Das ist selbstverständlich kein Aufruf von Kausalität, weil diese ohnehin zu wenig fruchtbar für solcherlei Untersuchungen wäre (zumindest ist dies meine Position), vielmehr die Anmerkung des Beitrages, welchen Free-to-play auf Rezeption, Kritik und Design von Videospielen leistet. Hier diktiert zu stark das Geschäftsmodell das Design, die Konstruktion.
Zum ersten Punkt sei noch knapp angemerkt, dass tatsächlich eine stärkere Heterogenisierung der Preise von Videospielen wünschenswert wäre, allerdings braucht es dazu gleichsam die Synergie einer ‚gesunden‘ Industrie. Gewerkschaften, differenzierte, durchsetzbare Rechte für die Arbeiter_innen, humanere Produktionsprozesse ( man denke an die hundert Stunden Woche! Sowie Crunch als Pflicht!) wären zumindest ein Anfang. Das wir außerhalb der kapitalistisch überformten Diskursstrukturen denken, ist dabei vielleicht schon zu viel verlangt. Aber der Kapitalismus hat ja auch sein Gutes. Genauso wie Sklaverei! (Das war eine überzogene Analogie, falls Menschen im Internet das jetzt literal verstehen wollen.) Diese Diskussion gehört – denke ich – nicht unbedingt in den gegebenen Kontext.
Worauf ich vor meinem Exkurs hinauswollte, ist das Videospiele dabei auch nicht anders funktionieren, als jegliches Konsumgut unseres neoliberalen Paradieses. Monetär besser gestellte Eliten können durch mehr Kaufkraft und ein größeres Angebot an – potenzieller – Freizeit mehr konsumieren – als gute kapitalistische Assets. Free-to-play demokratisiert diese soziale Struktur nicht, sondern verlagert bloß die gleiche Funktion unter neuem Antlitz. Um Genuss am Spiel zu empfinden, muss viel Geld gezahlt werden, da das Design auf eine nachrückende Monetarisierung ausgerichtet ist. Die gleiche Funktion sozial konstruierter Grenzziehung findet statt, es hat sich nichts geändert. Deshalb sprach ich zuvor von einem Denken außerhalb der hegemoniale Diskursstrukturen, weil erst durch die Ermöglichung des Denkens jenseits kapitalistischer, neoliberal überformter Begriffe – ja Sprache – überhaupt Alternativen denkbar werden. Sagbarkeiten stehen noch als Leuchttürme in weiter Ferne, verschwommen im Nebel.
Mein harsches Auftreten ist dabei auch nicht als persönlicher Angriff intendiert, sondern drückt mein Interesse an einer Auseinandersetzung mit deinen Themen aus. Wurde mir zumindest mehrfach vorgeworfen Menschen anzugreifen.
Meine Empfehlung zum Thema wäre, der Podcast zum Thema von Auf ein Bier. Schon ein paar Jahre alt, dennoch eine gute Einführung: https://www.gamespodcast.de/2015/05/10/runde-5-wir-wurden-free-2-play-nicht-anpinkeln-wenn-es-in-flammen-stunde/
Alles kein Problem. Ich sehe kein ad-homem Argument in deinem Text. Ich würde abschließend nur sagen, dass ich nicht ganz deiner Meinung bin. Vor allem im Bereich der Fundamentalkritik am Kapitalismus und der Hypothese das ein Einheitspreis für Spiele wünschenswert wäre.
Einen Einheitspreis für Spiele versuche ich in meinem Argument nicht zu vertreten, sollte ich da irgendwo eine Kontradiktion eingeflochten haben, dann sei dies hiermit adressiert: Da wir nun einmal kapitalistisch überformte Diskurse führen müssen – und für deren Überwindung erst eine Denkbarkeit außerhalb dieser zu generieren wäre – spreche ich gerade davon, dass Preis anhand des Falls zu ermitteln ist. Also wie es für jegliches andere Medium – Literatur, Film, Serien – ebenfalls vorliegt. Das Dogma „Ein neuer Release muss 60 Euro kosten“ stellt hierbei das Problem dar, welches ich gerade nicht für weiterhin unterstützenswert halte.
Das wir nicht einer Meinung, ist für mich derweil vollkommen in Ordnung, bis zu einem gewissen Grad sogar wünschenswert. Nur die Argumente für den Kapitalismus würden mich wirklich interessieren, denn bisher konnte mich dabei wechselseitig noch keines überzeugen. Zumal ich mir vollkommen darüber im Klaren bin, dass ich selbst meine Wirklichkeit nicht ohne dessen Begriffe konstruiere und folglich – auf eine Art – darin lebe. Gleichsam macht eben dieser Umstand das gesamte, diabolisch clevere Konstrukt ja erst derart würdig für Kritik (in meinen Augen).