Pixeldiskurs auf dem tinypalace Games-Festival

Als im April das tiny collective an uns heran trat mit der Frage, ob wir uns nicht an ihrem kleinen Indie-Games-Festival beteiligen wollen, fand ich das eine gute Chance, mich zum ersten Mal im Rahmen von Pixeldiskurs einzubringen. Jedoch wollte ich mehr als die üblichen Vorträge und suchte so nach einem alternativen Ansatz der Beteiligung.

Zunächst galt es zu klären, was das tinypalace Festival ist und was es sein will. Kurz zusammengefasst: Es ist ein Games Festival, das Computerspiele zeigen will, die Ausdruck einer politischen, gesellschaftlichen und/oder künstlerischen Haltung sind, ohne kommerzielle Interessen. Dazu gibt es Workshops und Talks rund um das Thema. Dieses Festival fand nun letztes Wochenende, in der temporären Ausstellungsplattform Interim am Kasseler Hauptbahnhof statt. Kuratiert von Studierenden der Kunsthochschule Kassel. Unser Beitrag bestand aus einer Installation zum anfassen, entdecken und nachdenken: Die „Achievement-Machine“.

IMG_2505Die Installation der „Achievement-Machine“ hat einen Knopf – wenn man ihn drückt, wird man mit einem Achievement für diese Leistung belohnt und zwar mit einem Aufkleber als Erinnerung für das Festival. Dahinter verbirgt sich natürlich mehr, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Um darauf aufmerksam zu machen, hat Stefan Simond am Freitag eine Diskussionsrunde dazu eingeleitet und mit mir moderiert.

Die Diskussion entwickelte sich ziemlich schnell von der Kernfrage, ob Achievements in Spielen nötig, unnötig oder eher hinderlich sind, über den Weg der Gamification und dem Fangen aller 151 Pokémon hin zu einer Kritik am kapitalistischen System, das Leistungen mit Geld belohnt. Doch es scheint Hoffnung zu geben: Denn immer, wenn wir etwas nur für uns tun, allein der Sache wegen und somit aus intrinsischer Motivation heraus und ohne extrinsische Belohnung, durchbrechen wir für einen Moment das System und entwickeln uns vermutlich persönlich weiter als in jeder extrinsisch motivierten Handlung.

Neben unserem eigenen Programmpunkt gab es noch weitere Workshops. Beim Vortrag von Nina Kiel, die 2014 ihr Buch  „Gender in Games“ veröffentlichte, ging es um die unterschiedliche Darstellung von Geschlechtern in Computerspielen und die Do`s (Keep it Real) and Dont`s (Boob Socks) der Darstellung vor allem weiblicher Videospielcharaktere.

Außerdem ist mir vor allem der Vortrag „Tramping through the World of Dota“ in Erinnerung geblieben. Hier wurde, ähnlich wie in unserer Serie „Lets play pazifistisch“, das eigentliche intendierte Spielkonzept des bekannten MOBA Dota 2 zunächst ausgeblendet; stattdessen haben wir uns gemeinsam auf eine Reise zur Erkundung der Spielwelt und ihrer Ästhetik aufgemacht („Oh look, a pretty Butterfly“). Auf der Karte verstecken sich wirklich liebevoll gestaltete Details, die hier ausnahmsweise einmal eine würdige Beachtung gefunden haben und nicht im Kampfgetümmel untergingen.

In der Ausstellung selbst hat mich vor allem GUPPERS mit seinem freundlichen Aussehen zunächst angezogen. Eine kleine Insel in Pastelltönen, die man mit Bäumen und kleinen knödeligen Tieren gestalten kann. Außerdem kann man es regnen lassen, Berge und Wasserstellen platzieren.

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Zunächst habe ich also aus reiner Neugierde so viele der niedlichen Tierchen auf die Insel gepackt, bis es aussah wie in einer brandenburgischen Schweinemast, um das Spiel an seine Grenzen zu bringen. Mit den Gedanken im Spiel versunken habe ich aber wohl auch einen der dem Spiel seinen Namen gebenden Guppers platziert, der angefangen hat, sich zu vermehren, Häuser zu bauen, Bäume zu fällen und meine Knödeltiere zu fressen. Irgendwie bin ich also, ohne es zu wollen, zum Erschaffer dieser Welt geworden und die Guppers haben sie Stück für Stück für sich beansprucht. Doch wie es sich für einen echten Gott gehört, habe ich irgendwann das Interesse an meiner Schöpfung verloren und nur noch dabei zugesehen, wie sie sich gegenseitig im Streit um Religion, Ressourcen und Platz niedermähen. Auch schon wieder spannend und in seiner Einfachheit sehr fesselnd.

Es gab noch viel mehr zu sehen und noch mehr Workshops zu besuchen, doch im tinytinypalace, der Bar im Innenhof fand ich den eigentlichen Reiz des Festivals, den Austausch mit anderen. So manchen Workshop den ich mir vorher ausgesucht hatte, habe ich dann doch verpasst, weil ich mich gerade in interessanten Nebengesprächen zum Reiz von Truckerfahrer-Simulationen, der problematischen Finanzierung nicht-kommerzieller Games oder das Leben als Spieleredakteur/in verloren habe. Gerade eine so kleine, entspannte Veranstaltung gibt viel Raum zum gegenseitigen Kennenlernen.IMG_2514

Wir sagen ByeBye tinypalace, nehmen unsere Achievement-Machine wieder mit, lassen uns von Borb noch einen guten Ratschlag geben und danken den Veranstaltern für ein tolles Wochenende und vielleicht sieht man sich auf eine Version 2.0 im nächsten Jahr?

An alle, die nicht da waren: Solltet ihr eine extrinsische Belohnung benötigen, um selbst zu so einer tiny aber coolen Veranstaltung zu fahren, sprecht mich an –  wenn ihr mich bei einer findet, dann geb` ich euch ein Kompliment.

Bis dahin folgt @Tsch4bo und wir sehen uns in der Dota-Lane.

IMG_2533  Aufkleber Final 1

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Über Heiko Schmelz

Heiko Schmelz (hs) kommt aus dem kleinen Dorf Rabenau-Kesselbach, wo er anstatt Maibäume zu stehlen lieber Warcraft III gespielt und Horrorfilme gesehen hat. So ist es nur richtig, dass es ihn über Umwege, nach seinem Zivildienst (abgeschlossen), einem Wirtschaftsstudium (abgebrochen), einer Bewerbung an der Kunsthochschule (abgelehnt) und einer versprochenen Ausbildung zum Mediengestalter (dann doch nicht angefangen) im Jahr 2015 ins schöne Marburg in den Studiengang B.A. Medienwissenschaft verschlagen hat. Auch ohne Ausbildung ist er freiberuflich als Mediengestalter und Fotograf tätig, interessiert sich für Trash-Horrorfilme gleichermaßen wie für Kunst und arbeitet als studentische Hilfskraft am Institut für Medienwissenschaft. Darüber hinaus leitet er als Medienpädagoge für den Landkreis Gießen Jugendseminare zum Umgang mit Medien, engagiert sich seit vielen Jahren im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder und jetzt eben auch mit vollem Einsatz im Pixeldiskurs der Uni Marburg.