Im vergangenen Sommersemester habe ich am Institut für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg einen Gamesjournalismus-Workshop im zweiwöchentlichem Turnus gegeben. Es war die erste Veranstaltung dieser Art unter meiner Leitung. Üblicherweise fokussieren meine Seminare einerseits die Vertiefung theoretischer Kenntnisse und andererseits die analytische Anwendung eigener kritischer Überlegungen auf digitale Spiele. Diesmal aber wollte ich den Studis vor allem eines geben: Zeit für die Durchführung eigener Projekte.
Abgesehen von einem Interview-Workshop und einer Sitzung zur Audio- und Video-Bearbeitung waren die Gruppen daher frei darin, ihre selbsterwählten Projekte voranzutreiben, Zwischenergebnisse zu präsentieren und ihre Erfahrungen zu diskutieren. Das kreative Potenzial und die Hingabe der jeweiligen Gruppen soll keiner Würdigung entbehren. Da einige der Projekte bisweilen tatsächlich veröffentlicht sind, finden sich hier die Links zu den Ergebnissen; und die können sich wirklich sehen lassen. Dabei bitte ich zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Bedürfnisse nach Anonymität der Studis insofern gewahrt bleiben, als dass hier keine Namen der Beteiligten veröffentlicht werden. Stattdessen finden sich dergleichen Angaben auf den jeweiligen Online-Präsenzen.
Was passiert eigentlich in der Welt von Dark Souls, während keine Spielfigur anwesend ist? Worüber tuscheln die NPCs, am wärmenden Lagerfeuer rastend? – Diese Fragen beantwortet die Gruppe mit einem Podcast ganz besonderer Art. Es handelt sich um eine Hörspiel-Miniserie; eine Tragikomödie innerhalb der diegetischen Welt von Dark Souls. Vom Skript über die Vertonung bis zum Ambiente und der Komposition eines musikalischen Intros hat die Gruppe mit großer Hingabe den Bonfire-Talk ins Leben gerufen. Darüber hinaus gibt es Kurzrezensionen zu den Titeln der Dark Souls-Reihe und ein Monster-Kompendium.
Pointierte Rezensionen zu digitalen Spielen sind eine große Herausforderung. Dieser hat sich die Gruppe rund um TamTamGames angenommen. Der Entwurf des namensgebenden Maskottchens TamTam krönt den Indie-Blog, auf welchem sich gegenwärtig Rezensionen zu folgenden fünf Titeln finden: Ori and the Blind Forest, Detention, This War of Mine und Doki Doki Literature Club. Die knackigen Überschriften animieren zum Lesen und das eigens entworfene Wertungssystem am Ende jeder Rezension illustriert die im Text argumentierten Punkte. Die ersten Schritte im Gamesjournalismus sind stets beschwerlich. TamTamGames zeigt, wie ein solcher Einstieg aussehen kann.
Episodenspiele und serielle Podcasts sind wie füreinander gemacht. Die leidenschaftliche Begeisterung für Life is Strange brachte eine Gruppe zusammen, die sich ein innovatives Podcast-Konzept überlegte. Zu jeder der Episoden von Life is Strange: Before the Storm gibt es eine Folge, die jeweils nach dem Spielen gehört werden kann. Scharfsinnige Interpretationen und wilde Theorien über die Hintergründe der Figuren werden durch anekdotische Erzählungen humorvoll gewürzt. Eine explizite Spoiler-Warnung gilt selbstredend für jede Folge des Casts.
Auch für mich war der Gamesjournalismus-Workshop eine lehrreiche Erfahrung. Jenseits der Auffrischung von Grundkenntnissen habe ich dabei vor allem eines mitgenommen: Auf die Kreativität motivierter Studis ist Verlass. Einige der Studis haben mir zurückgemeldet, dass sie für ihre Projekte weit mehr Zeit investiert haben als für einige benotete Leistungen. Wenngleich auch mein Workshop bei seinem Abschluss mit ECTS-Punkten winkte, bin ich doch ausgesprochen froh, dass die Motivation hinter den meisten Projekten eine intrinsische war. Denn in der Veranstaltung zu bestehen ist keine Herausforderung. Sich selbst aber Ziele zu setzen und diese auch in Anbetracht auftretender Probleme eigenständig zu verfolgen, ist die eigentliche Leistung.