Als Pixeldiskurs gefragt wurde, ob wir uns nicht mit einer Aktion am diesjährigen Wissenschaftsfest Campus Marburg 2016 beteiligen wollen, waren die Überlegungen noch recht unbedarft: „Klar, warum nicht? Aber welches Thema? Müssen wir uns mal überlegen. Hat ja noch Zeit.“
Im Laufe der darauf folgenden Wochen und Monate wurde dann alles ein wenig größer, als wir uns das vorgestellt hatten.
Ein Thema war dann doch recht schnell gefunden: Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „ernsten Spiele“, welches in den letzten Jahren vor allem in Form der Serious Games populär wurde. Einwände wie „Aber schreiben wir da nicht alle unsere Bachelor- und Masterarbeiten?“ wurden mit einem lapidaren „Jaaa, aber das kriegen wir schon hin“ beiseitegeschoben, die Anmeldung wurde ausgefüllt und unsere Teilnahme bestätigt.
Nach und nach stellten sich dann mehr und mehr Fragen.
„Ach, schau mal…das wird ja von Uni UND Stadt Marburg organisiert. Also kommen da Menschen aller Altersklassen, die evtl. gar nicht studieren. Müssten wir dann unsere doch eher wissenschaftlichen Vorträge nicht noch etwas anpassen, damit das nicht alles zu langweilig und trocken klingt?“
„Wenn das eine Vortragsreihe ist, wieviele Vorträge sollen wir denn für die eineinhalb Stunden einplanen? Lieber mehr Diskussion oder mehr Vortragszeit?“
„Meint ihr, da kommen überhaupt Leute hin? Unser Thema interessiert doch bestimmt niemanden…“
„Schaffen wir das alles in der verbleibenden Zeit?“
Und plötzlich lief die Social Media-Maschine. Es gab im Vorfeld bereits unzählige Veranstaltungshinweise und daraufhin wieder Feedback von diversen Interessenten. Und plötzlich meldete sich die Zeitung: „Hallo, hätten sie Zeit für ein Interview? Ich habe ihre Veranstaltung gesehen und das klang doch recht interessant…“
Es folgte ein ganzseitiger Bericht in der örtlichen Zeitung über Campus Marburg, mit Erwähnung unserer Veranstaltung, inklusive eines dazu passenden Fotos („So, bitte nicht lächeln, sondern vielleicht eher ERNST gucken. Ist ja auch ein ernstes Thema. Danke.“).
Einer unserer bis dahin vier Vortragenden musste dann leider doch recht kurzfristig absagen, sodass wir eigentlich schon geplant hatten, nur zu dritt vorzutragen. Mit Jan Baart wurde jedoch umgehend Ersatz gefunden. Folgende Vorträge standen also (in dieser Reihenfolge) auf der Liste:
Bernhard Runzheimer – „…ist doch nur ein Spiel…oder?“ – Der schmale Grat zwischen Ernst und (digitalem) Spiel
Jan Baart – Before Serious Games
Alexander Henß – Was man in digitalen Spielen über den Krieg lernen kann…am Beispiel von This War of Mine
Kevin Pauliks – Todernst: Der Permadeath im Computerspiel
…und am 10. Juni fanden sich zur eher ungewöhnlichen Zeit von 19:30 knapp 40 Personen im Hörsaal +1/0030 ein, um unseren Vorträgen zu lauschen.
Mein Vortrag war im Prinzip ein Impulsreferat zum schmalen Grat zwischen (digitalem) Spiel und Ernst, mit Johan Huizinga und Roger Caillois als grobem theoretischen Unterbau, über Gonzalo Frascas Text „Ephemeral Games – Is it barbaric to design video games after Auschwitz?“ hin zur Frage, ob man den Holocaust im digitalen Spiel thematisieren darf. Dieser Vortrag sollte zu Beginn jedoch nur einige Fragen aufwerfen und Überlegungen auf Seiten der Zuhörer anstrengen, was durch die vielen Diskussionen scheinbar gut funktioniert hat. Aufgrund der häufigen Interaktionen mit dem Plenum und den vielen gezeigten Bildern ist dieser Vortrag allerdings nicht in der Zusammenfassung zu hören.
Jan begann dann mit einem historischen Einstieg in das Thema Serious Games, wobei er vor allem der Frage nachging, ob dies ein neueres Phänomen ist oder schon in der Vergangenheit und evtl. unter einem anderen Namen existierte. Außerdem hatte er viele interessante und lustige Beispiele im Gepäck, die man unter diesem Begriff vermeintlich nicht erwartet hätte.
Alex stellte das Spiel This War of Mine vor und analysierte dessen Strategien, Krieg darzustellen und ging der Frage nach, wie dessen Spielstrukturen zur Vermittlung einer Antikriegsthematik beitragen. Anhand von Ästhetik, Erzählung und Gameplay konnten somit die moralischen Dilemmata aufgezeigt werden, die aus der Gegenüberstellung von Spielziel und den eigenen Moralvorstellungen entstehen.
Kevin setzte mit seinem Vortrag zum Permadeath den Schlusspunkt der Vortragsreihe, wobei er von der kulturellen Dimension über die diversen Todesarten im Spiel zur Frage kam, wie „ernst“ der Tod im digitalen Spiel eigentlich ist, da man im Prinzip beliebig oft neu starten kann. Komplizierter wird es, wenn der sogenannte Permadeath die investierte Zeit des Spielers auf null zurückstellt und sämtliche Fortschritte plötzlich verloren sind. Auch dies wurde mit Beispielen unterlegt.
Im Anschluss gab es noch eine sehr schöne Diskussion mit den Teilnehmern, die wir aufgrund der vielen Beiträge noch ein wenig über die eigentliche Veranstaltungszeit hinaus ausdehnen konnten.
Wir möchten uns an dieser Stelle nochmal herzlich bedanken, sowohl bei den Veranstaltern von Campus Marburg als auch bei den vielen Teilnehmern für die lebhafte Diskussion.