Ich wusste nicht recht was mich mit dem Egoshooter Wolfenstein: The New Order erwartet. So viel vorweg, viel Großartiges und ein wenig Enttäuschung. Es geht los in einem Normandie ähnlichen Szenario 1946, bei dem Amerikaner versuchen das Hauptquartier von General Totenkopf zu stürmen. Ja richtig gelesen, 1946, denn der Krieg hat nicht 1945 geendet. Doch das Unternehmen stellt sich als ziemlicher Fehlschlag heraus und der Angriff scheitert jämmerlich. Das Regime ist einfach zu mächtig mit all seinen geheimen Technologien, wie den Panzerhunden und Maschinensoldaten. Unser Held William B.J. Blazkowicz wird bei einem verzweifelten Sprung aus beachtlicher Höhe durch ein paar Splitter am Kopf verletzt und verbringt die nächsten 14 Jahre im Wachkoma. In einer Nervenklinik in Polen verpasst er somit die bedingungslose Kapitulation Amerikas, nachdem New York 1948 mit einer Atombombe dem Erdboden gleich gemacht wird. Pünktlich, wenn das Regime die Nervenheilklinik „schließen“ will, erwacht Blazkowicz und setzt sich zur Wehr.
Hier beginnt dann das eigentliche Spiel. Nachdem wir die einzige Überlebende Anya gerettet haben, flüchten wir mit ihr. Unsere Reise führt uns durch ganz Europa auf der Suche nach anderen Widerstandskämpfern. Dank nicht ganz sanfter Verhörmethoden erfahren wir von einem Offizier des Regimes, wo unsere Verbündeten gefangen gehalten werden: in Berlin. Dort ist auch ein geheimes Lager von Rebellen, denen wir uns anschließen. Mit deren Hilfe versuchen wir im Zuge waghalsiger Missionen das Regime zu zerschlagen und uns an General Totenkopf für seine Gräueltaten zu rächen. Videospiele können so schön simpel sein: Töte den Bösen und alles wird gut!
Wolfenstein: The New Order überrascht mit abwechselnden komischen und ernsten Momenten. Dieser Mix von Humor und Dramatik ist den Jungs von MachineGames super gelungen. Ist unser Held meist ein echt harter Kerl, so lässt er das ein oder andere Mal auch seine weiche Seite durchscheinen. Der Actionanteil überwiegt aber deutlich. Die Shooter-Mechaniken sind wirklich klasse gelungen. Man kann jede Waffe einzeln oder doppelt nutzen. Dadurch ergeben sich dann doch relativ übertriebene Situationen, wenn man beispielsweise mit zwei Sturmgewehren und Dauerfeuer auf ein paar Gegner zu sprintet. Wolfenstein schafft aber gekonnt den Spagat zwischen klassischen FPS-Spielen und neuen Cover-Shootern. Man muss nicht nur auf den Gesundheitswert, sondern auch auf die verbleibende Rüstung achten. Aufgefüllt wird beides durch herumliegende Medipacks und Rüstungsteile. Wie in alten Zeiten also.
Uns steht ein Talentbaum zur Verfügung, der uns zeigt welche Fähigkeiten wir noch verbessern können. So wird man für bestimmte Handlungen, wie heimliche Abschüsse oder Messerattacken belohnt. Stealth ist ein wichtiger Aspekt des Spiels. Es ist zwar theoretisch möglich, alles in guter Rambo-Manier zu lösen, doch empfehlenswert ist es nicht. In gewissen Bereichen befinden sich Offiziere, die unbegrenzt Verstärkung rufen, wenn sie alarmiert werden. Das geht sehr schnell und endet dann meistens mit einem rasanten Tod durch eine große Überzahl an Bösewichten. Stealth ist aber nur einer der vier Teile des Talentbaums. Taktik, Angriff und Zerstörung sind drei weitere Zweige in denen wir uns verbessern können. Man verbessert so nach und nach seine Fähigkeiten. Jede Waffe verfügt über einen alternativen Feuermodus, was manchmal Schalldämpfer oder aber Raketenwerfer sind.
Im Bereich Audio findet sich meine größte Freude sowie Enttäuschung wieder. Enttäuscht hat mich die deutsche Sprachausgabe in einigen Passagen. Nicht, weil sie an sich schlecht gesprochen wäre, sondern weil sie einen großen Teil der Atmosphäre im Spiel kaputt macht. In der originalen Fassung sprechen alle Akteure in ihrer Muttersprache (Englisch, Deutsch, Polnisch, usw.). In der deutschen Fassung wurde das jedoch alles verworfen und neu in Deutsch synchronisiert. An manchen Stellen, die mit diesem mehrsprachigen Aspekt spielen, fällt es dann besonders auf und macht die Situationen einfach unglaubwürdig. Aber dies ist nun mal ein Opfer der Zensur, die an sich durchaus gut umgesetzt ist. Es wurden auch alle Hakenkreuze durch das Wolfenstein-Symbol ersetzt, was der Atmosphäre aber in keinster Weise schadet. Der knapp einstündige Soundtrack des Spiels ist hervorragend und hat mich besonders fasziniert. Schon alleine der Track „The New Order“ im Menü des Spiels geht sofort ins Ohr. Die weiteren Stücke werden gekonnt im Spiel eingesetzt und sorgen immer für eine passende Atmosphäre. Als Bonus beinhaltet das Spiel einige Musikstücke, die von fiktiven Musikern wie zum Beispiel „Den Käfern“ stammen. Hier wird herum gesponnen, wie deutsche Popmusik in einer Zeit um 1960 hätte sein können. So mussten dafür „The Beatles“ aufhören englischsprachige Musik zu machen und Deutsch lernen. Sie sind nun auf Tour mit ihrem Album „Das blaue U-Boot“. Eine sehr witzige und toll umgesetzte Idee.
Fazit
Ich hatte sehr viel Spaß mit Wolfenstein: The New Order und war sichtlich überrascht von der gebotenen Abwechslung. MachineGames ist hier ein herausragender Egoshooter gelungen. Die bedrohliche Welt und ihre Gräueltaten lassen einen das ein oder andere Mal erschauern und nachdenklich werden. Besonders fasziniert bin ich von dem Soundtrack, der passend wie bei Max Payne 3 oder Hotline Miami ist. Die musikalische Untermalung hat mich, wie bei den genannten Titeln, besonders tief in das Spiel hineingezogen und emotionale Momente hervorgehoben. Die aufgebaute Atmosphäre ist klasse und man könnte das Spiel in einem Rutsch durchspielen, würde es nicht fast 15 Stunden in Anspruch nehmen. Wenn man dann immer noch nicht genug hat, kann man das Spiel noch einmal mit einer alternativen Zeitlinie und leichter Variation durchspielen. Die Zensur der deutschen Ausgabe ist größtenteils gut gelungen. Wenn man auf sehr hohem Niveau meckern möchte, kann man aber die einseitige Figurenzeichnung der Bösewichte als eine Schwachstelle sehen. Bei mir überwogen die positiven Eindrücke sehr deutlich. Trotz weniger Abstriche ist Wolfenstein: The New Order auch in der deutschen Version ein sehr unterhaltsamer und manchmal sogar zu Tränen rührender Titel.
Getestet wurde die Xbox One Version