Gaming In Color: Perspektiven zur Vielfalt im Spiel

In Gesellschaft und Medien fühlen wir uns immer öfter mit dem Thema Sexualität konfrontiert. Videospielen wird nachgesagt, sie seien sexistisch, viele Spieler homophob. Aber wie betrachtet man so ein Thema richtig? Sind die eigenen Argumente überhaupt repräsentativ für die Spieler, über die man spricht? Und stimmen die genannten Vorurteile? Frei nach dem Motto ‚Gebt ihnen eine Stimme und sie werden etwas erzählen‘ hat man verschiedene Personen aus der queeren Spielergemeinschaft interviewt und deren Ansichten zusammengetragen.

Dabei herausgekommen ist Gaming In Color – eine einstündige, über Kickstarter finanzierte Dokumentation rund um verschiedene Aspekte des LGBTQ-Gamerlebens, die erstaunlich umfangreich ausfällt. Erstaunlich deshalb, weil eine Stunde lang lediglich Interviewantworten aneinander geschnitten und visuell aufgepeppt wurden. Inhaltlich findet man sich schnell in einer komplexen Thematik wieder, die man sich doch einfacher vorgestellt hatte. Geht es zum Beispiel zu Beginn um die Identität der Interviewpartner, antworten diese schon zwiegespalten und beschreiben Vermischungen zwischen verschiedenen Identitäten und Zugehörigkeiten. Sie erzählen von dem, was sie an Videospielen begeistert oder interessiert, aber auch von den Schwierigkeiten, die mit ihrer Begeisterung verbunden sind. Dass hier neben persönlichen Gefühlen auch gesellschaftliche Gefüge und Ablehnung eine Rolle spielen, versteht sich.

Weitere Themenbereiche räumen mit Vorurteilen über die vermeintliche Abgenzung der Gayming-Community oder der Videospielmesse GaymerX auf. Man betrachtet die Möglichkeiten, mehr Vielfalt in die Spielekultur zu bringen oder stellt die Probleme für queere Gamer beim Online-Spiel und in öffentlichen Netzwerken dar. Dabei lebt die Dokumentation von ihren acht Hauptsprechern, unter denen sich neben dem bekannteren Matt Conn auch Aktivisten, Journalisten und Designer finden lassen, die fundiert und teils sehr persönlich von ihren Erfahrungen berichten und dadurch stark an Authentizität gewinnen. Das heißt auch, dass eine differenzierte Betrachtung der Themen nur einseitig stattfindet, alternative Positionen fallen also weg. Dieser Anspruch würde dem Projekt jedoch nicht gerecht werden, da es gar nicht versucht zu diskutieren, sondern aufzuklären. Vielmehr präsentiert die Dokumentation Aussagen, die anschließend diskutiert werden können.

Die Interviewten stammen aus verschiedenen Bereichen der Spielebranche, des Journalismus und der Spielergemeinschaft und bringen vielfältige Ansätze zur Diskussion mit.

Die Interviewten stammen aus verschiedenen Bereichen der Spielebranche, des Journalismus und der Spielergemeinschaft und bringen vielfältige Ansätze zur Diskussion mit.

Auch stolpert Gaming In Color strukturell etwas. Hin und wieder wird nicht deutlich, worum es gerade geht, obwohl die Themen nacheinander behandelt werden. Hier wären Einspielungen oder Zwischentitel schön gewesen, um den Zuschauern eine Kategorisierung des Gesehenen bzw. Gehörten zu erleichtern. Ansonsten wird die Thematik aber einsteigerfreundlich präsentiert, was auch an den zahlreichen Visualisierungen liegt, die mal erklärend sind, meist jedoch die Präsentation aufwerten. Trotzdem soll es kein Geheimnis sein: Die Dokumentation richtet sich zunächst an bereits Interessierte. Man sollte also eine zumindest kleine Portion Interesse für die Themen Geschlecht, Sexualität und Games mitbringen, überhaupt aber der englischen Sprache mächtig sein und Worte wie ‚queer‘ oder ‚Geek‘ in ihren Grundzügen verstehen können.

Gaming In Color ist eine gelungene Dokumentation, die gesellschaftliche Themen im Umgang mit Sexualität und Geschlecht auf den spezifischen Bereich der Videospiele herunterbricht, ohne jedoch den Bezug zur übergeordneten Thematik zu verlieren. Das Projekt profitiert sehr von den persönlichen Erfahrungen und Meinungen der Sprecher und liefert dem Zuschauer ein Bild von Sexualität und Geschlecht, das den eigenen Wissenshorizont erweitern kann. Interesse für das Thema und ein wenig Empathie sollte man auf jeden Fall mitbringen. Es geht schließlich nicht um Zahlen und Fakten, sondern um die differenzierte Darstellung einer Welt, die man selbst doch nur schwer begreifen kann, wenn man niemanden kennt, der in ihr lebt. Und einige diskussionswürdige Ansätze zum Umgang mit Sexualität in Videospielen gibt es noch obendrauf.

Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann das Projekt und einen Trailer der Dokumentation unter der folgenden Adresse finden:

http://gamingincolor.vhx.tv/

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Über Alexander Henß

Alexander Henß (ah) studierte den M.A. Medien und kulturelle Praxis an der Philipps-Universität Marburg. Er hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Indie Games. Überhaupt schaut er sich aber gerne mal alles an, mag dann auch manches, stellt Thesen auf und sammelt Eindrücke.