Diese Folge ist dank Sylvio Konkol von spielkritik.com wiederhergestellt. Vielen herzlichen Dank dafür!
Allgegenwärtig umtreiben uns zerfallene Körper infektiöser Zombies sowie die traumatisierten Protagonisten auf Rachefeldzug. Die Repräsentation von Krankheiten durchdringt digitale Spiele, doch bleibt sie zumeist unbemerkt. Mit dem Kulturhistoriker Arno Görgen verschaffen wir uns einen Überblick.
Außerdem geht es um Nier: Automata, Star Wars: Battlefront 2 und die Grenzen der Partizipationskultur.
Wenn ihr unserem Podcast langfristig zu folgen beabsichtigt, abonniert unseren RSS-Feed oder labt euch an iTunes.
Eine Sprachnachricht, die wir in den Podcast aufnehmen, könnt ihr uns jederzeit senden, indem ihr folgende Telefonnummer wählt: 06421-9689229.
Inhalt:
00:00 – 00:33 Spielewoche (Nebel der Welt; Nier: Automata)
00:33 – 01:13 Presseschau
01:13 – 02:00 Thema der Woche
02:00 – 02:07 Hörerkommentare
Shownotes:
- Mit der Umgebung erzählen: Enviromental Storytelling im digitalen Raum – Teil 1 (Nils Bernd Michael Weber)
- Mit der Umgebung erzählen: Enviromental Storytelling im digitalen Raum – Teil 2 (Nils Bernd Michael Weber)
- Assassin’s Creed Origins versteckt ein sehr gutes Easter Egg direkt vor euren Augen (Dom Schott)
- It’s not about you! – Eine Annäherung an das Ambience Action Game in zwei Akten (Felix Zimmermann)
- Pixeldiskurs-Podcast #20 – ‚Walking Simulator‘: Wie werden wir den Begriff wieder los?
Mal wieder ein sehr interessanter Podcast! Vielen Dank dafür!
Über das Thema partizipative Kunst habe ich erst kürzlich nachgedacht. Einem Dark Souls beispielsweise wird ja oft vorgeworfen, dass die Geschichte gar nicht das Spiel schreibt, sondern einzig und allein der Spieler selbst. Und das sehe ich als durchaus kritisch an, da meiner Meinung nach das Spiel die Strukturen überhaupt erst für diese Erfahrung schafft. Deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, wen man behauptet, die Lore eines Spieles wie Dark Souls sei nur dank der Fans so „groß“ geworden. Es sei sowieso alles frei interpretierbar und zufällig entstanden.
Das empfinde ich dann immer als etwas unfair dem Entwickler gegenüber.
Ich musste witzigerweise häufiger in diesem Podcast an das erste Dark Souls denken, da es sich dort ebenfalls um eine Art „Krankheit“ handelt und auch sehr philosophisch ist.
Ich genieße eure Podcasts sehr!
Ich hätte aber einen kleinen Wunsch: Wäre es vllt möglich auch die genannten Spiele
in der Folge in den Shownotes anzuführen? Bestimmt sind die bekannten Titel nicht so das
Problem, aber besonders bei nicht so bekannten Titeln, hab ich Schwierigkeiten sie anschließend zu finden. Hier beispielsweise bei 1:30:22. Bran bow? Gran Bow? Brain bow? Hilfe? Vllt geht das ja nur mir so. Aber ich kenne eben nicht alle Spiele die es gibt.
Oder bei 1:47:02: ein Browsergame mit dem Namen illut?
Eine hervorragende Idee – das machen wir ab der nächsten Folge!
Die beiden Titel, nach denen du suchst, sind übrigens Fran Bow und Elude (http://gambit.mit.edu/loadgame/elude.php).
Herzlichen Dank! Aber das wird bestimmt nicht einfach. Ihr nennt ganz schön viele Titel, da müsste fast jemand mitschreiben. Vielleicht kann man das auf die wenigen eher Unbekannten beschränken. Andererseits könntet ihr dadurch feststellen, wie oft ihr welche Titel in welchen Potcasts erwähnt. Und wenn ihr zu einem bestimmten Thema die Spieltitel nennt, dann kann man gleich viele typische Genrevertreter ausmachen. Also hier zum Beispiel viele wertvolle Titel, zum Thema Krankheit in Spielen. Oder wenn man dann nach einem bestimmten Titel sucht, kann man die verschiedenen inhaltlichen Schwer- oder Diskussionspunkte der Spieltitel ausmachen. Aber ob das der Aufwand wirklich wert ist? Danke jedenfalls nochmal für die Hilfe!
Komme mir ja jetzt schon fast schlecht vor, dass ich die „Glanz-Engramme“ aus Destiny 2 nicht als Loot-Boxen wahrnehme. Tatsächlich ist es allerdings auch so, dass die Erfahrungspunkte, die in Destiny 2 gesammelt, nicht aktiv von den Spieler_innen eingetauscht werden, sondern lediglich einen Erfahrungsbalken zum Wachsen bringen, der bei Vervollständigung ein „Glanz-Engramm“ gewährt, ohne das hier Punkte von einem Konto fließen oder eine fiktive Währung den Spieler_innen abgenommen wird (siehe Star Wars: Battlefront 2 oder Overwatch). Dies könnte der Grund sein, warum es mir persönlich schwer fällt Destinys Loot-Boxsystem mit Battlefront zu vergleichen. Nichtsdestotrotz ist es nicht fair von Bungie, künstliche Bremsen in den Fortschritt der Spieler_innen einzubauen, um evtl. Geld machen zu können. Es ist jedoch festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um einen „Pay-To-Win-Mechanismus“ handelt, wie es ebenfalls der Fall bei Battlefront 2 ist. Dementsprechend: Ja, Entwickler sollten aufhören, Spieler_innen zu täuschen. Egal, auf welchen Ebenen eine solche Täuschung stattfindet. Es sei jedoch auch gesagt, dass es in all diesen Fällen Abstufungen der Stärke der Täuschung gibt.
Ein interessanter Zugang, allerdings würde ich anmerken, dass du den Begriff der Täuschung genauer eingrenzen solltest. Fiktionale Werke täuschen die Rezeptionsinstanz zumeist mittels der Tatsache, dass diese sie als existent wahrnimmt. Ich – als Rezeptionsinstanz – gehe eine Illusionsvereinbarung mit – im Falle des Videospiels – der technischen Umgebung und Genese des einzelnen Werkes ein, damit dieses überhaupt eine Wirkung entfalten kann.
Würde die Rezeptionsinstanz im gesamten Rezeptionsprozess den Gedanken führen, es handle sich um eine fiktionale, mehr noch künstliche Umgebung, wäre eine emotionale Evokation der Erzählung schlichtweg unmöglich. Um nun das Werk rezipieren zu könne, bedarf es somit dieser – einvernehmlichen – Täuschung respektive Illusion.
Außerdem ist Täuschung – selbst ludisch – nicht gleiche Täuschung: Jede narrative Wendung hängt davon ab, vorher eine Erwartung über den Fortgang der Erzählung bei der Rezeptionsinstanz hervorzurufen, welche nun konterkariert werden kann. Das geht soweit, dass „Persona 4“ – im speziellen Fall die Golden-Version – der Spielinstanz nahelegt, die Erzählung nähere sich ihrem Ende, nur um diese Erwartung letztlich auf den Kopf zu stellen. Es schließt sich ein kompletter Akt an – es ließe sich sogar ein aufbrechen der Dreiaktstruktur stark machen – welcher eigentlich gar nicht folgen sollte. Zumindest nach der vorigen Erwartung.
„Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots“ generiert immer wieder Situationen, in welche die Spielinstanz ludisch einzugreifen im Stande scheint, allerdings erwirkt die Interaktion nicht die – scheinbar markierte – Reaktion.
Selbstverständlich meintest du solcherlei Täuschung nicht, als du deine Aussage tätigtest – nehme ich einmal an – ermöglichst jedoch eine Rezeption genau dessen. Hiernach schließt dein Täuschungkonzept nun narrative Täuschungen aus, da diese teilweise sogar rezeptionsbedingend wirken.
Dein Täuschungsbegriff umfasst also – nach meinem Verständnis – vielmehr jene Konfigurationen, welche die zusätzliche monetäre Aufwendung der Spielinstanz forcieren, indem ein Progressionssystem die ludische Ebene aushebelt. Zwar funktioniert die ludische Ausrichtung in „Destiny 2“ – das nehme ich jetzt nicht gesondert auseinander – allerdings wird die Progression zusätzlich gehemmt, damit die Zeit bis zum Fortschreiten in der Erzählung bzw. zum nächsten neuen ‚Content-Piece‘ ansteigt. Dem wird als Abhilfemechanismus die Loot-Box entgegen gestellt, welche diese gesteigerte Zeitaufwendung nun negiert.
Wenn ich deinen Gedankengang bis hierher getroffen habe, kann ich mich – wie vermutlich viele Diskussionsteilnehmer_innen – dir darin anschließen.
Nun muss ich allerdings noch einmal auf das „Destiny 2“-Beispiel zurückgreifen, denn die Loot-Boxen funktionieren durchaus auf einer vergleichbaren Ebene, es wird nur die Ressource gewechselt, die zu deren Erwerb notwendig ist. Geld – im real empfundenen Sinne – kauft die Loot-Boxen beispielsweise in „Star Wars Battlefront 2“ und ersetzt somit die – künstlich – gesteigerte Zeit, welche zum Erwerb der Güter mit fiktionaler Währung nötig wäre. Gibt diesem Prozess jedoch eine zufallsbasierte Komponente ein, die nun noch einmal den Einkaufwillen steigert, sollen ein gestimmtes Gut erworben werden.
In „Destiny 2“ werden „Glanz-Engramme“ über die Ressource des Zeitaufwands freigeschaltet und gewähren zufällig bestimmte Güter, sollte diese Zeit nun – wie auch bei „Battlefornt 2“ – nicht aufgewendet werden wollen, besteht ebenso die Möglichkeit diese gegen Geld – als real markierte Währung – zu erwerben. Von der systematischen Seite betrachtet, funktionieren die beiden Elemente somit gleich, eines ist möglicherweise subtiler, es macht es jedoch nicht besser. Sollte hingegen die Möglichkeit eliminiert werden, den Fortschritt im Erwerb dieser Loot-Boxen oder den direkten Erwerb zu tätigen, wäre es ein zufallsbasiertes Gratifikationselemente im einem abgeschlossenen virtuellen Raum.
Bloß weil Bungie hier subtiler täuscht – nach deinem Täuschungsbegriff – macht es das auch nicht besser.
Zuletzt noch zum PayToWin-Begriff: Erstens ist nicht das Problem was gegen – real markiertes – Geld erworben werden kann, sondern das dies der Fall ist. Um eine Monatarisierungsmodell tatsächlich fruchtbar zu machen, muss das betreffende Spiel mechanisch so konfiguriert sein, dass es einen starken Anreiz bietet, dieses auch zu nutzen. Also sollte wir nicht diskutieren, ab wann es okay ist, den Spieler_innen das Geld aus der Tasche zu ziehen (einmal salopp gesprochen), vielmehr ob dies überhaupt eine erstrebenswerte Entwicklung ist.
Und nein, ich nehme es nicht als Gegenargument, dass Menschen davon leben können, Hüte in „Team Fortress 2“ zu verkaufen, denn diese sind mir – nicht persönlich, sondern als Berufsstand – schlichtweg egal, weil sie Teil des übergeordneten Problems sind.
Aber gehen wir – als gute kapitalistische Subjekte – einmal davon aus, dass der Markt schon generiert, was auch konsumiert werden will und es deshalb vollkommen in Ordnung ist, das Videospiele monetarisiert werden, um weitere Einnahmen zu generieren, nachdem das eigentliche Produkt erworben ist. Gut? Gut.
Aus dieser Perspektive sollten alle beteiligten Personen aufhören über „PayToWin“ zu jammern, denn in jedem anderen gesellschaftlichen Diskurs ist es vollkommen akzeptiert, das die Person, die mehr Mittel investiert, auch mehr Ertrag erhalten soll. Investiert also eine Person nun überdurchschnittlich viel Geld in beispielsweise „Battlefront 2“, ist diese – nach unserer kapitalistischen Logik – sogar dazu bemächtigt mehr Besitz zu erhalten. Ob nun dieser Besitz auch in einen direkten Vorteil umgemünzt werden kann, hängt wieder vom Kontext ab.
So könnte ich zum Beispiel mit allen Loot-Boxen der Welt keine signifikanten Erfolge in „Battelfront 2“ einfahren, weil ich die Mechanik von First-Person-Shootern nicht gut genug beherrsche. Und damit bin ich nicht die einzige Person. Nicht jeder Ressourcenbesitz müdet auch in einem eben solchen Ertrag.
Auch die Analogie zum Sport ist für mich nicht uneingeschränkt zutreffend, denn selbst im Fußball oder Rennrodeln erwerben die Beteiligten oder deren Vertreter_innen Ressourcen zur Steigerung der individuellen Leistungsfähigkeit. Der FC Bayern München kann seinerseits jegliche Spieler erwerben, deren individuelle Fähigkeiten für den kompetetiven Erfolg von Nöten sind und bieten diesen nun ihrerseits eine Infrastruktur zur weiteren Steigerung ihrer jeweiligen Fähigkeiten. Ist Fußball jetzt „PayToWin“? Oder Stabhochsprung? Oder Hürdenlauf?
Nach diesem Argument ja, und das nach der kapitalistischen Logik, die sich derart hegemonial in diversen Diskursen eingeflochten hat.
Meine Ausführungen zum „PayToWin“-Begriff sind etwas verknappt an dieser Stelle, ergänzend dazu kann gern noch einmal Jochen Gebauer zu Rate gezogen werden, auf dessen Aussagen ich mich teilweise hier beziehe.
Abschließend halte ich fest, dass ich niemanden beleidigen oder angreifen möchte, sondern bloß versuche eine weitere Perspektive aufzumachen und etwas als des Teufels Advokat zu fungieren.