Pixeldiskurs-Podcast #147 – Die Regulierung von Lootboxes

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In den vergangenen Monaten häuften sich Berichte über Regulierungsbestrebungen von Lootboxes in verschiedenen Ländern. Sei es, um Kinder und Jugendliche oder vulnerable Personen mit einer Disposition zur Spielsucht zu schützen – die globale Spieleindustrie hat es mit Lootboxes und Microtransactions so weit getrieben, dass eine staatliche Regulierung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wir diskutieren, wie Lootboxes Personen zu verführen versuchen und welche konkreten Regulierungsmaßnahmen vielversprechend erscheinen.

Außerdem geht es um What Remains of Edith Finch, die Schwächung der britischen Spieleindustrie durch den Brexit und Pferdesalbe.

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Inhalt:

00:00:00 – 00:20:18 Spielewoche
00:20:18 – 00:32:47 Presseschau
00:32:47 – 01:40:08 Thema der Woche

Shownotes:

Titelbild: Gold Vektor erstellt von freepik

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Über Tobias Klös

Tobias Klös (tk), Master of Arts (M.A) Erziehungs- und Bildungswissenschaft ist Redakteur bei pixeldiskurs.de und Co-Host des Pixeldiskurs Podcasts. Interessen: Gamification und Game Based Learning

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Über Stefan Heinrich Simond

Stefan Heinrich Simond (shs) publiziert und unterrichtet im Bereich der Game Studies am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Er promoviert zur Konstruktion psychischer Krankheiten und psychiatrischer Institutionen in digitalen Spielen, ist Chefredakteur bei pixeldiskurs.de und hostet den wöchentlichen Pixeldiskurs-Podcasts.

3 comments

  1. „The cake is a lie“ – wer hätte es gedacht?

    Spielekultur
    Free-to-play und Lootboxen gehören zusammen. Ohne sie gäbe es beispielsweise kein “League of Legends” und kein “Fortnite”. Kein Epic Games Store. Kein LOL-eSport-Event. Lootboxen gehören zur Entwicklung der Gameskultur. Weil sie ein Finanzierungskonzept sind. Dieses Finanzierungskonzept eignet sich besonders für “Massen”-Spiele. Online. Nicht so für Singleplayer. Free-to-play kann jeder mitmachen. Jeder Spieler oder jede Spielerin kann selbst entscheiden, ob er oder sie null Euro investiert, oder zehn Euro oder den Vollpreis von sechzig Euro, oder hundert Euro, weil er oder sie das Hobby so mag… Gerade der Preis ist eine riesige Einstiegshürde für alle, die sich Games nicht leisten können. Da ist doch Free-to-play eigentlich sehr freiheitlich und antiautoritär?

    Sozialer Druck
    Markenklamotten, Stickersammlung, Pokemonkarten, Tamagotchi, Fidget Spinner, Facebook, Instagram, TikTok… mit Lootboxen ist der entstehende soziale Druck (etwas aus sozialem Kontext heraus zu nutzen oder zu besitzen) kein neues Phänomen. Werbung manipuliert uns jeden Tag. Jeder und jede muss im Laufe seines oder ihres Lebens eine Haltung gegenüber dem Markt entwickeln. Statussymbole existieren im Spiel und im echten Leben. Sind wir wirklich überrascht, dass es sie gibt?

    Alterskennzeichnung
    Ab 18. Nur Erwachsene können sich beherrschen. Da wird dann ein Schalter im Gehirn umgelegt mit dem Geburtsdatum. Plötzlich ist jeder und jede moralisch korrekt und verantwortungsbewusst. Dann schließen wir damit ein paar Millionen Menschen aus, die darunter liegen. Weil, da ist das Gehirn noch nicht so weit?

    Regeln
    Regeln machen ist wichtig. Jedes Spiel hat Regeln. Die SpielerInnen entscheiden, ob sie die Regeln des Spiels akzeptieren oder nicht. Wenn jemand bei Mensch-ärgere-dich-nicht einen Fünf-Euro-Schein auf den Tisch legt und dann nochmal würfeln darf… ich würde als MitspielerIn sofort aussteigen.
    Wenn jemand sich in einem Onlinespiel jeden Fortschritt erkaufen kann, dann muss ich mir überlegen, ob das mein Spiel ist. Besonders, wenn ich mit den MitspielerInnen in einen Wettstreit trete. Warum spiele ich dieses Spiel? Weil ich ein Completionist, also PerfektionistIn bin? Weil die Lootbox-Öffnenanimation meinen Selbstwert erhöht? Der oder die Lootbox-KäuferIn muss sich fragen, warum es überhaupt Sinn macht einen Kauf zu tätigen. Oft ersetzt die Lootbox die Spielzeit. Also wurde gar nicht gespielt, sondern nur das Siegertreppchen erkauft. Muss man über jedes Stöckchen springen, das einem angeboten wird, damit man sich besser fühlt?
    Die SpielerInnen entscheiden, welche Lootboxregeln sie tolerieren. Und wenn sie etwas nicht wollen, führt das zu einem Aufschrei wie bei “Star Wars Battlefront 2”. Übersetzt mit: “Uns gefallen die Regeln nicht, wir spielen so nicht mit”. Auch als SpielerInnen können wir Transparenz fordern. Wir bekommen die Spiele, die wir verdienen. Generell könnte man psychologische Finanzierungskonzepte ächten, das wäre dann aber das Ende der Marketingabteilungen.
    Staatliche Regulierungen? Also das härteste Mittel? Will ich, dass sich unsere Politiker mit einer Gaming-Lootbox-Debatte beschäftigen? Muss ich mir am Ende vom Verkehrsminister vorschreiben lassen, dass ich zu unreif bin, in einem Spiel selbst zu entscheiden, ob ich eine Lootbox kaufe oder nicht? Hat nicht gerade das Finanzierungskonzept der betüdelten Automobilindustrie auf das Schummeln mit Abschaltvorrichtungen und damit auf Gesundheitsgefährdung von Verkehrsteilnehmern basiert? Darüber werde ich im Altersheim noch schimpfen…sorry.
    Selbstregulierung? Ein paar Vorschläge klingen ganz vernünftig. Und es wäre schön, wenn es nur kosmetische Items gäbe, oder wenn die Gewinnchance dranstehen würde. Aber dann wieder ein “Quasi”-Gesetz daraus machen? Und wenn einer das darf, dann dürfen das wieder alle? Außer die sind dann ab 18? Und wenn sich das Finanzierungskonzept dann nicht mehr trägt, dann gibt es kein Free-to-play mehr? Oder was kommt dann nach den Lootboxen? Ich glaube, ich hab dazu keine Haltung. Ich werde mir das weiter anschauen.

    Was tun?
    Thematisieren. So wie euer Podcast es tut. Psychologische Modelle dahinter aufdecken. Darüber reden. Aufklären. Die Leute dann selbst entscheiden lassen. Wir müssen nicht immer alles “von oben” regeln. Als SpielerInnen können wir doch bestimmte Mechaniken ächten und uns bewusst werden, wo und wie wir manipuliert werden. Es ist für unser Überleben nicht relevant diese Spiele zu spielen. Niemand kann uns zwingen Zeit damit zu verbringen oder Geld dafür auszugeben. Die Lootbox-Thematik gehört, genau wie die Abomodell-Thematik (Streamingdienste) oder das Crowdfunding in den nächsten Jahren weiter zum Spiele- und Aufklärungsdiskurs dazu. Wir müssen lernen mit digitalem Geld umzugehen. Nicht nur in Spielen. Dies sind Lernprozesse, die mit der digitalen Gesellschaft einhergehen. Vermutlich könnten Menschen, die auf einen langfristigen Erfolg setzen und damit Selbstbeherrschung beweisen, bestimmte Vorteile erarbeiten oder Verluste vermeiden. Könnte es sein, dass wenn ich mir in einem digitalen Spiel eine gewisse Selbstbeherrschung antrainiere und diese dann auf mein reguläres Leben ausweite, mir das vielleicht zu einem wirtschaftlichen Erfolg verhilft? Wie wäre es, wenn wir unsere Erfahrungen, Tricks und Tipps darüber austauschen? Wie geht ihr damit um, wenn euch permanent Werbebanner und Lootboxen um die Ohren fliegen? Das können wir doch zusammen lernen?

    Mein Fazit
    Ich mag Lootboxen nicht. Ich will nicht während dem Spielen, so wie früher im Privatfernsehen, alle zehn Minuten, bedrängt werden etwas zu kaufen. Ich will das Kulturgut genießen. Ich mag das Spiel einmal kaufen und gut ist, weil ich mir das eben leisten kann. Ich will nur mit Leuten spielen, die ihren Selbstwert nicht an Pixelkostüme knüpfen. Aber Lootboxen werden nicht einfach weggehen. Sie ermöglichen erst bestimmte Spiele. Mein Appell: Wir müssen lernen damit klarzukommen.

    Eure Strohi

    1. Liebe Strohi,

      vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar, der sowohl den Finger in die Wunde mancher unserer Argumente legt als auch alternative Perspektiven vorschlägt.
      Ich denke in der Tat auch, dass eine staatliche Regulierung nicht das erste Mittel sein sollte. Und wenn es zu einer solchen Regulierung kommt, dann sollte es gewiss keine sein, die den Lootboxes und Mikrotransaktionen und somit den durch jene Finanzierungsmodelle entstandenen Titeln den Garaus macht. Aber um vulnerable Menschen zu schützen, halte ich es durchaus für möglich, basale Mechanismen per Vorschrift zu implementieren, insofern die Industrie sich nicht von selbst zu regulieren gewillt ist. Den tatsächlichen Preis einer Lootbox in einer echten Währung anzugeben ist etwa problemlos möglich, ohne dass den potentiellen Kunden die Autonomie genommen wird, sie dennoch zu kaufen. Selbiges gilt für einen Kaufprozess in zwei Schritten (etwa durch erneute Passwort-Eingabe).
      Menschen, die Lootboxes kaufen möchten, sollen das gern auch weiter tun dürfen. Aber solche, die das eigentlich nicht möchten und dennoch empfindlich auf die angewandten verhaltenspsychologischen Kniffe reagieren, bedürfen eines gewissen Schutzes. Denn jenseits des legitimen kapitalistischen Interesses der Industrie gilt ja immer noch das übergeordnete Prinzip der Fairness – oder sollte es jedenfalls.

      Ich hoffe sehr, dass unsere Beschäftigung im Podcast etwas zu der Debatte beiträgt, damit wir uns klar darüber werden, welche Regulierungsmechanismen sinnvoll und welche entweder inneffektiv sind oder gar über das Ziel hinausschießen. Vor allem wäre natürlich die Aufklärung dann auch an eine jüngere Zielgruppe heranzutragen; so ließen sich die verwendeten Strategien durchaus auch in Workshops in der Schule etwa thematisieren. Damit wäre vielleicht schon viel getan, sodass Schülerinnen und Schüler durchschauen können, welche Strategien ihre Lieblingsspiele verfolgen, um sie zum Kauf von Lootboxes zu verleiten.

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