Destiny 2: Von heroischen Tönen und Klängen

Der Reisende. Die Quelle des Lichts und Stärke der Hüter_innen. Schutzpatron der Erde. Er ist in Gefahr. Die Rote Legion der Kabale hat es sich zum Ziel gemacht, die Letzte Stadt der Erde anzugreifen und dem Reisenden sein Licht und somit die Stärke der Hüter_innen zu entziehen. Dominus Ghaul, der Anführer der Roten Legion, will eine neue Weltordnung erschaffen und das Licht für seine Zwecke einsetzen. Wer soll sich gegen ihn stellen? Ohne Licht sind die Hüter_innen machtlos. Doch es gibt Hoffnung.


Das Licht ist fort

Die Story von Destiny 2 setzt ungefähr ein Jahr nach den Ereignissen des zu Destiny 1 (Bungie, 2014) gehörenden Downloadable Content (DLC) Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords (Bungie, 2016) ein. Die Letzte Stadt der Erde wird von der Roten Legion der Kabale überrannt. Der Kabalanführer Dominus Ghaul möchte das Licht des Reisenden für seine Zwecke missbrauchen und Kontrolle über die Galaxie erlangen. So ziehen die Spieler_innen als letzte/r Hüter/in in die Schlacht um die Zukunft der Galaxie und des kraftgebenden Lichts. Doch selbst mit vereinten Kräften kann die Rote Legion nicht aufgehalten werden: Ein gezielter Gegenangriff auf Ghauls Schlachtschiff schlägt fehl. Ghaul erlangt die Kontrolle über den Reisenden und entzieht allen Hüter_innen ihr Licht. Es bleibt nur die Flucht und fortan ein Leben im Exil auf einer abgelegenen Farm im Trostland der ‚European Death Zone‘. Die Spieler_innen stehen nun vor der Aufgabe, sich als letzte Hüter_innen das Licht und die Letzte Stadt zurückzuerobern. Die letzte Hoffnung besteht im Finden einer Scherbe des Reisenden, versteckt im Inneren des ‚Düsterwalds‘. Sie soll den Spieler_innen und deren Hüter_innen neue Kraft schenken und sie für den Kampf gegen die Rote Legion wappnen.

Die Letzte Stadt liegt den Hüter_innen zu Füßen.


Etwas Musik, bitte!

Neben dem Verweis auf verwunschene Märchenerzählungen (Waldmotiv), die Bezugnahme auf das aktuelle Weltgeschehen (Vertreibung durch Konfliktherde) und Star-Wars-Referenzen (eine ausgewählte Person, wie Luke oder Rey, muss sich gegen eine böse Macht stellen und die Weltordnung ins Gleichgewicht bringen), beeindruckt Destiny 2 bereits in den ersten Minuten mit einer hollywoodreifen Narration und Mise-en-Game[1] sowie einer orchestralen Soundkulisse. Wurde die Narration in Destiny 1 noch durch sogenannte „Grimoire-Karten“ vorangetrieben, die lediglich in Schriftform online vorlagen, hat Destiny 2 in Punkto Inszenierung einen Schritt nach vorne gemacht. Der Plot wartet nun mit hollywoodreifen Zwischensequenzen auf, die der Welt von Destiny 2 mehr Charakter verleihen und den Spieler_innen einen Grund geben, weiterzuspielen. Sämtliche Zwischensequenzen werden zudem von einem gelungenen Score und diversen Soundeffekten unterstützt. Durch den Einsatz von Mood-Techniken[2] und Underscoring[3] vermag die effektreiche und musikalische Untermalung eine „(…) emotionale Ebene [zu] schaff[en], die Handlung und Spielverlauf unterstütz[en], verstärk[en] und sogar gezielt lenk[en].“[4] Im Gegensatz zum Vorgänger werden soziale Sammelpunkte, wie der Turm, nun musikalisch begleitet und erfahren somit eine besondere Atmosphäre. Sowieso vermittelt der gesamte Score den Spieler_innen das Gefühl, eine echte Lichtgestalt und Held_in zu sein. Hervorzuheben ist hier selbstverständlich das Finale: Dramatische Bilder und pompöse Klänge gipfeln in einem Pas de Deux eines audiovisuellen Feuerwerks, wobei mehr nicht verraten werden soll. Auch die Soundeffekte der diversen individuellen Waffen spiegeln die umfangreiche Arbeit seitens Bungie wieder, die in die Gestaltung der Waffen geflossen zu sein scheint.


Wo Licht ist, ist auch Schatten

Trotz der guten Inszenierung und Vertonung fallen punktuell einige Kritikpunkt auf, wie etwa ludonarrative Dissonanzen.[5] Denn obgleich Destiny 2 eine heroische Heldenreise eines einzelnen Spielenden und dessen Spielfigur zeichnet, wird die Welt von weiteren Hüter_innen bevölkert. Dies ist vor allem dem Genre (Massively Multiplayer Online First-Person Shooter) verschuldet. Des Weiteren könnte das ‚Endgame‘, also der Spielverlauf und dessen Mechaniken nach Abschluss der Hauptstory, einigen Spieler_innen schnell mühsam erscheinen. Ab hier haben fast alle Hüter_innen den Avatar-Level von 20 durch das Sammeln von Erfahrungspunkten erreicht und können ihre Stärke nur noch durch eine Steigerung ihres Licht herbeiführen. Das Licht wird dementsprechend nahezu fetischisiert, da dessen Steigerung zur Freischaltung herausfordernderer Aktivitäten, wie beispielsweise den ‚Leviathan-Raid‘, führt. Ihr Licht steigern alle Hüter_innen indem sie neue Rüstungsteile und Waffen in verschiedenen Missionen wie Strikes, öffentlichen Event und Patrouillen finden. Da diese Ausrüstung nach Abschluss dieser Missionen jedoch basierend auf einem Algorithmus und dementsprechend willkürlich verteilt wird, müssen die sich stetig wiederholenden Missionen immer wieder gespielt werden. Dieses ‚Grinding‘[6] kann die Spielerfahrung negativ beeinflussen. Spieler_innen, die jedoch mit dem Genre und damit verbundenen Spielmechaniken vertraut sind, sollte dieser Umstand nicht stören.

Eine Hüterin und ihre Ausrüstung: Die Anzeige oben links weist den Avatar- und den Licht-Level aus


Trotz dieser kleineren Kritikpunkte, begeistert Destiny 2 durch die filmreife Inszenierung seiner heroischen Story und der kolossalen Musikuntermalung. Bungie hat bereits den ersten DLC Destiny 2: Fluch des Osiris für Dezember 2017 angekündigt, der neue Story-Missionen und Ausrüstung für alle Hüter_innen mit sich bringen wird und somit die Gewohnheit des täglichen ‚Grinds‘ durchbrechen sollte. Eventuell wird durch die Veröffentlichung der Score durch weitere orchestrale Musikstücke erweitert, was ein weiteres Plus sein könnte.


[1] Vgl. Rauscher, Andreas. „Mise-en-Game – Die spielerische Aneignung filmischer Räume“. Abrufbar unter: https://www.academia.edu/10376252/Mise-en-Game_-_Die_spielerische_Aneignung_filmischer_R%C3%A4ume. Zugriff: 10.November 2017. Die Mise-en-Game aüßert sich „im überlegten Zusammenspiel zwischen Regeln, Mechanik, Gameplay, räumlicher Dramaturgie mit narrativen Potentialen und audiovisueller Umsetzung“.

[2] Mood-Technik ist eine Kompositionstechnik, die aus der Filmproduktion bekannt ist. Der Score läuft parallel unabhängig zum Bild und unterstreicht die Emotionen der Protagonisten oder Spielfiguren. Szenen werden dementsprechend mit Musik unterlegt.

[3] Underscoring, auch deskriptive Technik genannt, ist ebenfalls eine Kompositionstechnik, die ihren Ursprung in der Filmproduktion hat. Die Musik und deren Dynamik orientierten sich dabei an Ereignissen, Bewegungen oder Emotionen einer Szene. Es findet eine Synchronisierung zwischen Bewegtbild mit der eingesetzten Musik statt.

[4] Beckmann, Sascha. „Games Scores – der Sound zur Grafik“. Keys, Nr. 3, 2008. S.16f.

[5] Unstimmigkeiten zwischen Narration und Spielmechanik eines digitalen Spiels.

[6] ‚Grinding‘ beschreibt repetitive Aktivitäten innerhalb eines digitalen Spiels. Dabei führt stets dieselbe Strategie zum Abschluss einer solchen Aktivität.

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Über Nils Bernd Michael Weber

Nils Bernd Michael Weber schreibt und castet nun schon seit einiger Zeit für Pixeldiskurs.de. Ansonsten hat er eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert, einen Bachelor in Medienwissenschaft abgeschlossen und studiert nun im Master "Medien und kulturelle Praxis" an der Philipps-Universität Marburg. Er behauptet von sich selbst Ästhetiker, Feminist und Kulturkritiker zu sein. Ersteres lebt er in Maßen auf seinem Pinterest-Account aus.