Themenreihe: World Building / Game Architecture

„Game designers don’t simply tell stories; they design worlds and sculpt spaces.“[1] Dieser Satz des Medienwissenschaftlers Henry Jenkins beinhaltet eine der Kernthesen, denen wir uns im Game Studies Kolloquium zuletzt widmeten. Er legt den Fokus der Betrachtung digitaler Spiele auf den Raum, den sie zur Verfügung stellen und in dem wir spielen können. Aus verschiedenen Ansätzen bildeten wir gemeinsam Thesen und Fragen, woraus sich eine Spielwelt zusammensetzt und wie der stets begrenzte Rahmen, in dem wir uns spielerisch bewegen können, zu unserer Spielerfahrung beiträgt.

Unsere Beschäftigung damit fassten wir unter dem Titel „World Building / Game Architecture“. Im Sinne der Themenreihe werden ausgewählte und weiterführende Ergebnisse unserer Arbeiten an dem Thema im Verlauf der nächsten Wochen auf diesem Blog veröffentlicht. Eine Übersicht aller Beiträge befindet sich am Ende dieses Einführungsartikels.


Was bedeutet World Building bzw. Game Architecture?

Unter World Building in digitalen Spielen verstehen wir alle Elemente, die zur Konstitution einer Spielwelt beitragen. Was darunter wiederum gefasst werden kann, ist von den entsprechenden thematischen Ansätzen abhängig, die von den Teilnehmer_innen des Kolloquiums in den Fokus genommen werden. Die Offenheit des Begriffs ist für unser Thema zentral.

Denn World Building meint nicht nur eine Erzählung oder die gezeigten Handlungen von Figuren innerhalb eines Spiels. Eine Spielwelt entsteht auf vielfältige Art und Weise. Ein nach Hilfe rufender NPC, die Erkundung fremder Planeten oder auch das hiesige Waffenarsenal der Hauptfigur – sie alle erlauben uns Rückschlüsse über die Spielwelten, in denen sie auftreten. Was können wir im Spiel tun und welche Reaktionen zeigt es auf unsere Handlungen? Was sehen, hören und fühlen[2] wir, während wir durch fiktionale Welten streifen? Die Fragen an das World Building reichen weiter, als es zunächst erscheint.

Ein besonderer Fokus liegt für uns auf dem Raum im Spiel. Er färbt unser Verständnis der Geschehnisse innerhalb der Spielwelt auf besondere Weise. Denn oftmals ist er kein essentieller Bestandteil des Gameplay, sondern ‚schmückt‘ dieses aus und begrenzt die Bereiche, in denen wir uns ‚bewegen‘ können. Hieraus ergibt sich auch die Ergänzung der Game Architecture. Wenn jede Spielwelt von Grund auf artifiziell erschaffen wird, dann ist anzunehmen, dass jede Wand und jeder Gegenstand eine Bedeutung trägt.


Auf welche Quellen haben wir uns bezogen?

Ihren Einstieg fand unsere Arbeit an dem Thema mit Marie-Laure Ryan und ihrer allgemein gehaltenen Betrachtung der Potenziale des World Building in digitalen Spielen. Nebst der Fiktionalität stellt sie die Interaktivität als wichtigen Faktor digitaler Spiele heraus[3] und thematisiert die Möglichkeit, eine fiktionale Welt über verschiedene Medien hinweg aufzubauen.[4]

Mit Jesper Juul näherten wir uns schließlich den Grundstrukturen digitaler Spiele an sowie der von ihm angesprochenen Abhängigkeit fiktionaler Welten von strukturgebenden Spielregeln.[5] Auf ähnliche Weise versteht auch Henry Jenkins die inhärenten Logiken digitaler Spiele, deren Spielwelten im Kern immer auf Spielanordnungen und –plänen basiert haben.[6] Er fokussiert jedoch das ‚räumliche Erzählen‘ als Form, die mit dem Spiel selbst nicht in Konflikt steht, sondern dieses narrativ verorten kann.[7]

Robert Yang führte uns schließlich in die Detailanalyse ein. Anstatt eine fiktionale Welt gänzlich greifbar zu machen, legt er den Fokus auf die Narrationen, die allein den Stühlen – also ihren Platzierungen und Modellen – in Half-Life 2 (2004) innewohnen.[8]


Wie haben wir an dem Thema gearbeitet?

Dem Thema haben wir uns aus verschiedenen Perspektiven gewidmet – von übergreifenden Aspekten bis hin zur Detailanalyse. Zunächst arbeiteten wir in Diskussionen die oben genannten Quellen durch, um unterschiedliche Perspektiven auf World Building zu gewinnen. Im Anschluss nutzten wir die Analyseperspektiven der Texte, um drei kontemporäre Beispiele näher zu untersuchen: Overwatch (2016), Hyper Light Drifter (2016) und What Remains of Edith Finch (2017).

Die aus so unterschiedlichen Genres und Erzählkonventionen stammenden Beispiele ermöglichten uns, gesammelte Erkenntnisse in verschiedenen Bereichen fruchtbar zu machen. Sie werden daher auch einen Teil der Artikel ausmachen. Innerhalb der Themenreihe können jedoch Theorien und Beispiele abseits der gemeinsam besprochenen verwendet werden.

Wir freuen uns über eine angeregte und sachliche Beschäftigung mit dem Thema, zu der Ihr gerne beitragen könnt. Denn alle Beiträge verstehen sich als Auszüge des Themas, die sich an den spezifischen Interessen der Autor_innen orientieren.


Übersicht aller Beiträge zur Themenreihe:


Quellen:

[1] Jenkins, Henry: „Game Design as Narrative Architecture“. In: Noah Wardrip-Fruin / Pat Harrigan (Hg.): First Person. New Media as Story, Performance, and Game. London: MIT Press 2004. S. 118–130, hier: S. 121.

[2] Gemeint ist hier weniger das emotionale Fühlen im Sinne z.B. einer Atmosphäre, sondern die haptischen Ausgaben digitaler Spiele. Ein Beispiel dessen ist der ‚Rumble‘ von Controllern für Konsolen, der auf bestimmte Geschehnisse auf dem Bildschirm mit einer fühlbaren Bewegung reagiert.

[3] Vgl. Ryan, Marie-Laure: „Fictional Worlds in the Digital Age“. In: Ray Siemens u.a. (Hg).: A Companion to Digital Literary Studies. Wiley-Blackwell 2013. S. 250–266, hier: S. 254 ff.

[4] Vgl. ebd., S. 256 ff.

[5] Vgl. Juul, Jesper: Half-Real. Video Games between Real Rules and Fictional Worlds. Cambridge u.a.: MIT Press 2011. S. 163 ff.

[6] Vgl. Jenkins, S. 121.

[7] Vgl. Jenkins, S. 121–124.

[8] Vgl. Yang, Robert: „Consider the Chair“. In: Heterotopias 002. 2017. S. 55–65.

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Über Alexander Henß

Alexander Henß (ah) studierte den M.A. Medien und kulturelle Praxis an der Philipps-Universität Marburg. Er hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Indie Games. Überhaupt schaut er sich aber gerne mal alles an, mag dann auch manches, stellt Thesen auf und sammelt Eindrücke.