GameShame: Die ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ im Bauernendspiel

Konsolen-Spieler haben es diese Tage nicht leicht. Eigentlich wollen sie nur gemütlich auf der Couch eine Runde zocken, doch dann werden sie im Internet von der elitären ‚PC Master Race‘ getrollt. Als „dirty console peasants“ werden sie bezeichnet, als ob PC-Spieler mit ihren schrill leuchtenden Setups die Könige des Gamings wären. Wir haben uns ausführlich mit verschiedenen Facetten der GameShame beschäftigt, die ich im Folgenden um den innerhalb der Gaming Community verhandelten sowie technikzentrierten Konflikt der ‚PC Master Race‘ ergänzen möchte. Wie und warum werden Konsolen-Spieler von fanatisch wirkenden PC-Gamern beschämt? Sind das die einzigen Akteure in diesem Diskurs? Und wie viel ist davon ernst gemeint und was nur Satire?

Ein Konflikt ohne Punkt und Komma

Der Begriff der ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ wurde 2008 von Ben ‚Yahtzee‘ Croshaw in seiner wöchentlichen YouTube-Serie Zero Punctuation begründet, in der er Computerspiele ohne Punkt und Komma seziert. Am Beispiel von The Witcher äußert er, dass das Spiel aufgrund seiner komplexen Struktur PC-exklusiv sei, damit „those dirty console playing peasants don’t ruin it for the glorious PC gaming master race“.[1]

Von vielen PC-Spielern wurde Croshaws Aussage als eine Kampfansage gegen Konsolen-Spieler verstanden. Warum sollen sich PC-Spieler mit ihren High-End-Rechnern von Konsolen auf dem Leistungsniveau eines Toasters beschränken lassen? Und noch gravierender: Warum soll die Komplexität von Spielen eingeschränkt werden, nur sodass eine Gamepad-Steuerung ermöglicht wird?

Dass es Croshaw in seinem Video gerade gegen ein solches Denken geht, ging wohl an vielen Zuschauern vorbei, die es im weiteren Verlauf propagierten. Bereits im Video dürfte klar werden, dass es sich um Satire handelt, wenn Croshaw am Ende des Videos The Witcher für seine unnötige Komplexität und das damit inhärente Preisen des PC-Elitismus kritisiert.

I meant it as a dig. Some PC gamers I think have been using it unironically, but that’s not what matters. What matters is that elitism was what turned me off to PC gaming, just a few short years ago. And that’s what amazes me, in retrospect. I started leaning more towards console gaming because they were approachable, easier to use, and you didn’t have to wade through as much bullshit to get to the point of actually playing the fucking games.[2]

Den gleichen Elitismus sieht Croshaw schließlich aber auch in den Next-Gen-Konsolen, was sich wohl am deutlichsten in den Console Wars zeigt. „Maybe all of gaming is elitist, especially in a world where one-third of the population doesn’t even have electricity“[3], schlussfolgert Croshaw daraus.

Vom angeblichen Siegeszug der ‚PC Gaming Master Race‘

Elitismus ist tiefgreifend in unserer Gesellschaft verankert: Der Status, den der Einzelne in unserer Gesellschaft erlangt, entscheidet sich über die besten Noten und Abschlüsse, den bestbezahltesten Beruf und auch durch leistungsorientierte Hobbys. Bereits zuvor konnten wir herausarbeiten, dass Schamphänomene wie die GameShame mit solchen elitären Ideologien einhergehen, denn „Scham entsteht mutmaßlich durch eine dominante Diskursposition, die großen Wert auf Effizienz und Produktivität legt und das Spielen als inhärent unproduktiv versteht.“

Diese Auslegung führt unweigerlich zu einer Kritik des Kapitalismus, der die Besten preist und die Schlechtesten sühnt. Zu der paradoxen Einsicht, dass der Kapitalismus nicht weniger faschistisch ist wie der Nationalsozialismus kamen bereits Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrem Essay zur Kulturindustrie.

In der Kulturindustrie ist das Individuum illusionär nicht bloß wegen der Standardisierung ihrer Produktionsweise. Es wird nur so weit geduldet, wie seine rückhaltlose Identität mit dem Allgemeinen außer Frage steht.[4]

Von einem totalitären System in ein anderes sind Horkheimer und Adorno in den 1930er Jahren geflohen, da für sie die Gleichschaltung im Nazideutschland ähnlich repressiv ist wie die Massenkultur des kapitalistischen Amerika unter dem Deckmantel der Freiheit, denn „die Freiheit in der Wahl der Ideologie die stets den wirtschaftlichen Zwang zurückstrahlt, erweist sich in allen Sparten als die Freiheit zum Immergleichen.“[5]

In der ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ verbinden sich diese beiden totalitären Systeme: Zum einen werden nationalsozialistische Ideologien und Symboliken bedient wie das Propagieren einer ‚Herrenrasse‘ als die einzig wahre Gamer-Identität, die über die „Filthy Casuals“[6] triumphiert. Zum anderen wird ein kapitalistischer Produktfetisch gestärkt, der sich neben dem unnötigen Zwang zum ständigen Aufrüsten auf schnellere und leistungsfähigere Hardware (Horror of horrors 59 statt 60 fps) vor allem in der Modifizierung der Technik zu altarartigen Gebilden (sogenannte Setups) widerspiegelt.

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Nazisymbolik und okkulte Altare im kapitalistischen Gewand.

Dass Konsolen-Spieler in diesem scheinbar exklusiven Club nicht willkommen sind, verwundert kaum: Weder können sie ihre Hardware aufrüsten noch designtechnische Individualisierungen vornehmen (über Aufkleber und Sticker kann die ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ nur spöttisch lachen). Soviel sei jedenfalls auf der Oberfläche festzustellen.

In einer technischen Tiefe sind PCs hingegen nichts anderes als Konsolen: nämlich Computer. Die ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ verschanzt sich hinter dieser Oberfläche, die sich mit dem hard- und softwaretechnischen Angleichen von PC und Konsole immer weiter aufzulösen beginnt. Dieser Angleichungsprozess zeigt sich einerseits darin, dass Konsolen immer leistungsfähigere Computer werden, anderseits dadurch, dass sich PC und Konsolen Betriebssysteme teilen, wie es z. B. die Xbox One mit Windows 10 macht.[7]

Meme-Krieg zwischen Troll und Gamer

Die ‚PC Master Race‘ entfacht einen Krieg, in dem Konsolen-Spieler und Casuals beschämt werden. Die rhetorische Super-Waffe: Internet-Memes. Bereits zuvor wurde diese Kommunikationsform zur Beschämung missbraucht. Während des sogenannten Gamergates wurden spielende Frauen unter dem Vorwand der Journalismus-Kritik diskriminiert.[8] Die gleiche Troll-Kultur scheint mir auch bei der ‚Glorious PC Gaming Master Race‘ am Werk zu sein.

Wer sind diese sogenannten Trolls und was wollen sie? Das hat erst kürzlich die Fernsehserie South Park (USA 1997–) auf den Punkt gebracht:

It’s not about one person. It’s about pushing people’s buttons so that they’ll react in a way that pushes other people’s buttons. Look, you don’t just troll a woman with cancer to get a reaction from her, it’s all about the group of people that are gonna come to her defense. They’re gonna be so self-righteous that another group of people will eventually find those people totally annoying. You’re just setting them against each other. It’s like the fission reaction that sets off the fusion explosion. The Internet does it all, and you just sit back with your glass of wine and laugh.[9]

Diese Perspektivierung erlaubt einen differenzierteren Blick auf den Konflikt. Demnach müssen die Trolls, also die Akteure, die andere im Internet beschämen, nicht unbedingt Teil der Gaming Community sein. Es muss also gar nicht der Fall sein, dass PC-Gamer Konsolen-Spieler beschämen, sondern dass Trolls diesen Konflikt „for the LULZ“[10] auslösen. Es ist ebenso möglich, dass PC-Spieler die ‚Glorious PC Gaming Master Race‘-Memes posten, nicht aber zur Stärkung ihrer Gamer-Identität, sondern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Troll-Kultur.

Ausschlaggebender Punkt ist jedenfalls, dass sich Konsolen-Spieler angegriffen fühlen, sich in der Lage sehen, sich verteidigen zu müssen und so den Konflikt weiter anheizen. PC-Spieler, die sich weder zur Troll-Kultur noch zur ‚Glorious PC Gaming Master Race‘-Bewegung zählen, fühlen sich von dem ‚Rumgeheule‘ und dem selbstgerechten Verhalten dann ggf. so genervt, dass sie in den Meme-Krieg einsteigen. Daraus resultiert ein nicht so einfach zu beendender Teufelskreis, in dem sich Konsolen- und PC-Spieler immer weiter in die entgegengesetzten Ecken drängen.

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Eine typische Meme-Reaktion auf die ‚PC Gaming Master Race‘-Bewegung

Fazit: Das Bauernendspiel der GameShame

Es ist ein Irrglaube, dass Konsolen-Spieler die Bauern des Gamings sind. Ebenso wenig sind PC-Spieler die Könige der Spieletechnik. Nicht nur, weil ein technisches Angleichen von PC und Konsole im Gang ist, sondern auch weil sich beide Spielertypen für superior halten. Es ist wie beim Bauernendspiel im Schach, bei dem in beiden Gruppen nur noch ‚Bauer‘ und ‚König‘ vertreten sind. Manche Spieler sehen sich überhaupt nicht in die Lage versetzt, ihre gesamte Identität über ihr Gamingequipment aufzubauen. In mancher Augen erscheinen sie deshalb als arme Bauern. Jedenfalls sind sie bescheiden genug, das zu schätzen und sich darüber zu freuen, was sie haben.

Einige andere Akteure in diesem Diskurs fühlen sich überlegen und mimen hingegen den König. Sie sehen sich im ständigen Aufrüstungszwang und beschämen andere Spieler mit schlechterer technischer Ausstattung, weil diese nicht mitziehen können (sei es aufgrund schlechterer PC-Hardware oder veralteter Konsolengeneration). Abwehrreaktionen sind hierbei vorprogrammiert, die eine Kettenreaktion der gegenseitigen Beschämung auslösen können.

Klar sein sollte aber auch, dass ein dritter Spielertyp am Werk ist, der die anderen beiden Gruppen spielt. Dieser Meta-Spieler ist der Troll, der „for the LULZ“ PC- und Konsolen-Spieler gegeneinander ausspielt. Wenn nun PC- und Konsolen-Spieler in diesem Spiel der Scham nicht mehr mitspielen, weil z. B. viele PC-Spieler ohnehin auch Konsole spielen oder vice versa, dann haben die Trolls auch nichts mehr zu lachen. Zumal aus einem Bauer eine Königin werden kann – das weiß jeder Schachspieler.


[1] Croshaw, Ben, „THE WITCHER (Zero Punctuation)“, URL: https://www.youtube.com/watch?v=P0dXtOVi2yo (31.10.2016), TC: 00:00:52.

[2] Croshaw, Ben, „The Glorious PC Gaming Master Race“, URL: http://www.escapistmagazine.com/
articles/view/video-games/columns/extra-punctuation/10350-The-Glorious-PC-Gaming-Master-Race (31.10.2016), S. 1.

[3] Ebd., S. 2.

[4] Horkheimer, Max / Adorno, Theodor W., „Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug“, in: dies. (Hg.), Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, 16. Aufl., Frankfurt am Main: Fischer, 2006, S. 163.

[5] Ebd., S. 176.

[6] Mercer, Alex et al., „The Glorious PC Gaming Master Race. Part of a series on Zero Punctuation“, URL: http://knowyourmeme.com/memes/the-glorious-pc-gaming-master-race (31.10.2016).

[7] Siehe zum dialektischen Oberflächen-Tiefe-Modell der Kulturindustrie Horkheimer / Adorno, „Kulturindustrie, S. 132–139.

[8] Siehe zur Troll-Kultur im Gamergate Walter, René, There will be blood, WASD, Nr. 7, 2015, S. 125–135.

[9] Matt Stone als Gerald Broflovski alias Skankhunt42, South Park, „Douche and a Danish“ (s20e05), TC: 00:08:33.

[10] Ebd., TC: 00:11:33. Siehe hierzu auch Walter, There will be blood, S. 127.

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Über Kevin Pauliks

Kevin Pauliks (kp) studierte von 2011 bis 2016 Medienwissenschaft und Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Als Redakteur von Pixeldiskurs hegt er ein besonderes Interesse an Adventure-Games und Serien aller Art.