Pixelmonat September 2015

Um unsere monatliche Rundschau perspektivisch möglichst vielfältig zu halten, wird diese in jeder Ausgabe von einem anderen Autor betreut. In dieser Ausgabe sitzt Bernhard im Schaukelstuhl auf der Veranda und denkt wehmütig an die alten Zeiten zurück, während der Spieleherbst Einzug hält.

Der Blick zurück

Früher war alles anders! Nicht unbedingt einfacher, denn die Spiele waren tendenziell eher schwerer…aber anders!!1 Wenn ich daran denke, mit was Spiele früher auskommen mussten…wir hatten ja nix! Aber wenn wir was hatten, dann waren das Spieleperlen wie das Point’n’Click-Adventure Monkey Island. Selbiges wird in diesem Jahr 25 und soll, wenn es nach Entwickler Ron Gilbert geht, eine Fortsetzung bekommmen. Und wo wir gerade von hohem Alter reden: Die Arcades sind schon deutlich älter und trotzdem gibt es sie noch. Was das im Jahr 2015 bedeutet, kann man hier nachlesen. Denjenigen, die neben alten Spielen auch noch den guten alten Spielemagazinen hinterhertrauern, kann mittlerweile auch geholfen werden: archive.org bietet seit neuestem eingescannte deutsche Spielemagazine an, für alle diejenigen, die schon immer wissen wollten, wie Monkey Island damals rezipiert und bewertet wurde. Allen Retro-Papier-Puristen, die über digitalisiertes Papier jetzt nur die Nase rümpfen, sei an dieser Stelle noch folgende Buchempfehlung ans Herz gelegt: Retro-Games und Retro-Gaming, herausgegeben von Ann-Marie Letourneur, Michael Mosel und Tim Raupach, erschienen im vwh-Verlag, mit Beiträgen von Pixeldiskurs-Mitgliedern. Also Papier und Retro, quasi eine win-win-Situation.

…und wieder nach vorne

Auf dem VR-Markt tut sich mittlerweile wieder eine ganze Menge, unter anderem in der Benennung der ganzen neumodischen Kampf-Brillen-Helm-Apparaturen. So heißt nun das Project Morpheus seit der Tokyo Game Show PlayStation VR. Eines der Konkurrenzprodukte, das HTC Vive, konnte hingegen auf der IFA 2015 getestet werden, was von GIGA-Redakteur Frank Ritter ausgiebig genutzt wurde. Seine Eindrücke finden sich hier. Und dann teilte Samsung noch mit, dass das hauseigene Gear VR ab November für 99 Dollar erhältlich sein soll. Aufgrund der Aussagen, dass „dieses Gerät Virtual Reality in den Mainstream befördern wird“, darf man gespannt sein. Und sonst so? Auf Steam gibt es mittlerweile 1500 Spieletitel für Linux. Als reiner Linux-Nutzer hat man nun also keine Ausrede mehr, dass das Betriebssystem technisch nicht mithalten kann. Außerdem arbeitet ein Team der Uni Washington am Brain-2-Brain-Interface und hat dies bereits in einem Frage/Antwort-Spiel getestet.

Und wo sind wir jetzt?

Derzeit hat die Flüchtlingsdebatte Deutschland und Europa fest im Griff. Ein junger Syrer hat nun seine Fluchterlebnisse auf besondere Weise im Spiel Refugee Mario verarbeitet. In diesem Mario Clone kämpft man nicht gegen Pilze und Schildkröten, sondern flüchtet vor Schleppern und Grenzpolizisten. Ebenfalls weglaufen möchte man auch vor den Geschäftstaktiken und der Datensammelei der Free-to-Play-Branche. Unter dem Titel We own you gibt ein anonymer Insider einen Blick hinter die Kulissen, was beim Lesen ein sehr mulmiges Gefühl hinterlässt. Und schließlich fragt man sich im Jahr 2015, was denn eigentlich aus der Killerspiel-Debatte geworden ist, die in Deutschland immer wieder mal aufbrandet, wenn Politiker sich profilieren wollen. Der Spiegel gibt Auskunft.

Eigentlich bin ich ja nur wegen der Spiele hier

Nintendo ist derzeitig sehr umtriebig, was Neuerungen angeht. So wurde zum Beispiel Pokemon Go angekündigt, eine Mischung aus den altbekannten Spielen und einer Geocaching-Schnitzeljagd. In der internen Kolloquiumsrunde wurde das veröffentlichte Video aufgrund des irreführenden Inhalts allerdings kritisch betrachtet. Ein Spiel mit Augmented Reality-Elementen ist wohl eher nicht zu erwarten, wie die kurze Spielgrafik am Ende des Videos zeigt. Viel mehr könnten sich die Unfälle erhöhen, wenn Pokemon-Enthusiasten auf der Suche nach Pokemon versehentlich gegen Laternenpfähle laufen oder von Klippen stürzen. Interessanter hingegen ist der Mario Maker, womit die Spieler ihre Klempner-Levels nun selbst bauen können.
Fallout-Fans hingegen können aufatmen: Der vierte Teil soll ungeschnitten in Deutschland erscheinen. Geschnitten hat sich allerdings der CEO von Daedalic, der scheinbar der Meinung war, dass es eine gute Idee ist, Kritiker in den sozialen Medien auf äußerst deftige Weise abzuwatschen. Daraus resultierte zu Recht Unverständnis im Netz, was dem Image der Firma sicher nicht zuträglich war – und demzufolge eher keine gute Entscheidung. Diese gestalten sich im richtigen Leben aber auch nicht immer einfach. Im Spiel hingegen fällt es leichter, Entscheidungen zu treffen. Trotzdem ist Thorsten Küchler mit den (vermeintlichen) Entscheidungen in heutigen Spielen unzufrieden, was ihr hier nachlesen könnt.

Mir fehlen hier eindeutig die Aufreger-Themen und ein wenig nackte Haut

Zum Schluss gibt es Neuigkeiten von Anita Sarkeesian, welche mit der neuen Folge ihrer Tropes vs. Women-Reihe das Thema „Women as Reward“ (bzw. von Superlevel als „Frauen als Belohnung: Der Wanderpokal der Videospielgeschichte“ bezeichnet) anspricht. Eine andere Belohnung erwartet die Spieler in den in letzter Zeit vermehrt aufkommenden Duschsimulatoren wie z. B. Shower With Your Dad Simulator 2015: Do You Still Shower With Your Dad oder Rinse and Repeat. Zu letzterem gibt es hier einige erläuternde Worte des Entwicklers Robert Yang. Zum Thema „männliche Körper im Videospiel“ gibt es außerdem noch den Artikel The queer masculinity of stealth games, welcher sich mit dem Zusammenhang von Männlichkeit und Stealth Games auseinandersetzt. Für alle, denen das zu anspruchsvoll ist, gibt es hier noch eine Übersicht von Ridiculously Sexualized Moments in the Metal Gear Solid Games.

Ich habe aber gar nicht gelacht…

Na gut, einen haben wir noch: Wie eine Moderatorin bei Giga dachte, dass ihr Interviewpartner ein renommierter CoD-Spieler ist, aber in Wirklichkeit nicht den vor ihr sitzenden Fußballnationalspieler André Schürrle erkannte, der den Spaß gerne mitmachte. Boah, voll gut…

In diesem Sinne: Wir wünschen euch einen ereignisreichen und interessanten Oktober!

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Über Bernhard Runzheimer

Bernhard Runzheimer (br) ist ausgebildeter Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und arbeitete mehrere Jahre in diesem Beruf, bis er von existenziellen Sinnfragen an die Uni getrieben wurde. Von 2011 bis 2014 absolvierte er als Jahrgangsmethusalem den Bachelorstudiengang Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Obwohl er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters die Vorlieben seiner Kommilitonen für Pokemon, Transformers-Filme und ausschweifende Partys nicht wirklich teilt, hat er sich trotzdem dafür entschieden, zusätzlich den M.A. Medien und kulturelle Praxis in Marburg zu studieren. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Digital Humanities der Philipps-Universität Marburg, ist Gründungsmitglied und ehemaliger Chefredakteur des studentischen Game Studies-Kolloquiums der Philipps-Universität Marburg sowie Autor/Admin bei pixeldiskurs.de.