Pixelmonat Februar 2015

Immer gegen Monatsende präsentieren wir euch spannende Artikel, Kommentare und Videos aus den verwinkelten Ecken des Neulands. Dazu gibt’s eine Tasse frisch gemahlenen Bohnenkaffee. Mhhhh…

Die Marburger Stadtbücherei führt nun auch Konsolenspiele in ihrem Sortiment. Um ausufernde Kosten zu vermeiden, beschränkt sich die Archivierung auf die Plattformen PlayStation 3 und PlayStation 4 sowie Wii und WiiU. Gegen eine Gebühr von einem Euro pro Spiel und einer maximalen Ausleihfrist von zwei Wochen dürfen sich sämtliche MarburgerInnen derzeit an einem Spielekatalog von 180 Titeln bedienen. Als spezifische Kriterien für die Anschaffung gibt die Bibliothek an: „keine Spiele ab 18 Jahren“, „keine Ego-Shooter“, „Verzicht auf Gewaltdarstellungen“ und „Positivprädikatisierung“.
Die Suchmaske für eingetragene Titel findet ihr hier: http://katalog.stadtbuecherei-marburg.de/opax/de/qsim.html.S

(Quelle)


Die renommierte Plattform eurogamer.net hat sich am 10. Februar entschlossen, auf numerische Wertungen unter Rezensionen zu verzichten. „Scores are failing us, they’re failing you, and perhaps most importantly, they are failing to fairly represent the games themselves“, so Redakteur Oli Welsh. Die Debatte wurde darüber hinaus von kotaku.com ergänzt, die ihrerseits einen kritischen Blick auf metacritic-Wertungen warfen.


Laut einer Studie von Prof. Weger, Leiter des Departments für Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke, haben digitale Spiele einen signifikanten Effekt auf das soziale Urteilsvermögen von Menschen. So neigen die Versuchspersonen nach dem Spielen eher dazu, zweifelhaften Entscheidungen eines Computers zuzustimmen. „Results such as these call for a systematic reflection on such gaming practices and on the consequences of entering the artificiality of a virtual world“, heißt es im Fazit und weiter: „There is no doubt that future validation and confirmation will be needed; but if these findings are robust and reflect the reality of such gaming effects, there is also no doubt that by the time such validation and confirmation is provided, the effort required to change such habits and (gaming) routines will have substantially increased.“

(Quelle)


Während das blühende Format der Let’s Plays auf YouTube bereits einschlägige Erfolge erzielt, gelten die rechtlichen Rahmenbedingungen nach wie vor als weitgehend ungeklärt. Ist es etwa legal, das Werk eines kapitalorientierten Unternehmens frei verfügbar zu machen?
Nintendo geht nun einen gewagten Schritt mit seinem Creator’s Program. Let’s Player dürfen sich herzlich gern weiterhin mit Titeln des Publishers beschäftigen, insofern sie die Werbeeinnahmen mit Nintendo teilen. Erwartungsgemäß fielen die Reaktionen seitens der Videoschaffenden wenig begeistert aus. „The people who have helped and showed passion for Nintendo’s community are the ones left in the dirt the most“, so PewDiePie auf seinem Blog. Nicht weniger vernichtend klingt das Statement von Jim Sterling, welcher dem Creators Program eine Jimquisition widmete:


Acht konkrete Forderungen rahmten den Vortrag der Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin Anita Sarkeesian am 05. Februar. Im Zuge der NYU Game Center Lecture Series sprach die Initiatorin von feministfrequency über kleine, doch nicht minder bedeutsame Dinge, welche Entwicklerstudios der Reproduktion von sexistischen Stereotypen entgegensetzen können. Kurz zusammengefasst:

1. Nicht dem Schlumpfine-Prinzip verfallen
2. Mehr körperliche Vielfalt weiblicher Charaktere
3. Bekleidung, die Frauen nicht zwangsläufig sexualisiert
4. Betont das weibliche Hinterteil nicht stärker als das männliche
5. Animiert weibliche Charaktere so, wie sich Frauen tatsächlich bewegen
6. Implementiert mehr weibliche Charaktere mit ethnischem Hintergrund
7. Die Vertonung weiblicher Charaktere im Kampf soll stärker an Schmerz und weniger an einen Orgasmus erinnern
8. Mut zu weiblichen Antagonistinnen, die nicht sexualisiert werden

Eine lesenswerte Reportage über den Vortrag von Sarkeesian mit detaillierten Informationen zu ihren Forderungen findet sich hier.


Positive Schlagzeilen sind für Peter Molyneux derzeit eine Rarität. Curiosity startet im Herbst 2012 als Smartphone-App und zu sehen war letztendlich nicht mehr als ein glänzender Würfen, den es fortan zu entblättern galt. Wer das letzte Stück freilegte, solle einen Preis erhalten. Als „life-changing“ verhieß Molyneux den Gewinn. Nun ist es längst geschehen; fast beiläufig hat Scot Bryan Henderson im Mai 2013 das Innerste des Mysteriums freigelegt und eine Nachricht des Entwicklers höchstselbst erhalten. In einer ausführlichen Geschichte ließ eurogamer.net nun Revue passieren und stellte im Gespräch mit Henderson heraus, wie leer die Versprechungen von Molyneux seien. Emily Gera von polygon.com veröffentlichte einen Nachruf auf „the last honest man in games“ und rückte die Debatte abermals in ein anderes Licht.


Einem Let’s Player im Live-Stream ein S.W.A.T.-Team auf den Hals zu hetzen entspricht sicherlich dem gesunden Humor des durchschnittlichen Arschlochgamers[1]. Brandon Willson – alias „Famed God“ – ist einer der ersten Personen, die aufgrund der viralen Praktik verhaftet wurden. Am 11. Juli 2014 soll er vorsätzlich ein Verbrechen gemeldet haben, das nie stattfand; begleitet von zahlreichen weiteren Drohungen gegenüber dem Opfer. Im Falle einer Verurteilung rechnet die Staatsanwaltschaft Illinois mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Auch Joshua Peters Wohnzimmer wurde vor den Augen von 60.000 Zuschauenden ‚geswattet‘. Als Reaktion veröffentlichte er ein entsprechend anrührendes Video, in welchem er an das empathische Vermögen der Community appelliert.

(Quelle)


Als Fortsetzung der Video-Reihe 8-Bit Philosophy veröffentlichte Wisecrack am 08.02. eine Episode mit dem programmatischen Titel „Is Capitalism Bad For You?“. Unterhaltsam visualisiert werden die theoretischen Perspektiven von Weber und Marx konzis erklärt. Vorherige Episoden befassen sich etwa mit Platons Höhlengleichnis, Hannah Arendts Banalität des Bösen oder Albert Camus‘ Absurdismus. Die kurzen doch nicht minder präzisen Videos sind allesamt sehenswert.


Nicht nur wir frönen der Subversivität und versuchen etwa die Gewaltlogik von Games durch pazifistisches Spielen zu unterlaufen. Der Live-Streamer Ceez versuchte sich am 16.02. an einer Friedenskampagne im Zombie-Survival-MMO H1Z1 – wenngleich mit etwas mehr demagogischem Pathos.


Selfies halten als popkulturelles Phänomen zunehmend Einzug in digitale Spiele. Während zahlreiche Titel bereits einen Foto-Modus mitliefern, besteht etwa in GTA V explizit die Möglichkeit, Selbstporträts mit dem Handy aufzunehmen.

Nun erweitert die Modifikation Insta-Doom den klassischen Shooter von 1993 um ebene jene Funktion und macht den Avatar des Space Marines auf unterhaltsame Art und Weise sichtbar. Wie das Ergebnis in bestem Instagram-Flair aussieht, zeigt Rock Paper Shotgun in diesem Video:


Mit The Games That Never Were erzählt videogametourism.at von Titeln, die nie entstanden sind. Florian Bayer betrachtet den jüngsten Ableger der Assassin’s Creed-Reihe mal aus einer ganz anderen Perspektive: Glitch Quest.
Auch unser Redakteur Dan Heck hat im vergangenen Jahr einen Beitrag zu dieser Reihe geleistet und sein Minion Mob Mayhem vorgestellt.


In seinem inzwischen dritten Lektüreschlüssel zu Kentucky Route Zero analysiert Magnus Hildebrandt die intertextuellen und -medialen Verweise des dritten Aktes der Spieleserie.


[1] Der unterschwellig wertende Begriff stammt von Rainer Sigl aus der dritten WASD, Seite 100.
Vielen Dank dafür!

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Über Stefan Heinrich Simond

Stefan Heinrich Simond (shs) publiziert und unterrichtet im Bereich der Game Studies am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Er promoviert zur Konstruktion psychischer Krankheiten und psychiatrischer Institutionen in digitalen Spielen, ist Chefredakteur bei pixeldiskurs.de und hostet den wöchentlichen Pixeldiskurs-Podcasts.