See you in Sausage Land: Zu Gast bei Devolver Digital

Devolver Digital lud im Vorfeld der Gamescom mit den Worten „See you in Sausage Land“ [scherzhaft für Deutschland – Anm. d. Verf.] ein. So hatte ich die Gelegenheit, die Angebote der amerikanischen Publisher in Halle 4.1 etwas genauer unter die Lupe zu nehmen: Während ich The Talos Principle, Hotline Miami 2 und Xtodie:Ragnarok in lockerer Atmosphäre anspielen konnte, war sogar Zeit für einen kurzen Plausch mit Freelives-Geschäftsführer Evan Greenwood und Programmierer Ruan Rothmann, die mit ihrem Team Broforce entwickeln.


Broforce

Gedächtnisprotokoll des Gesprächs mit Evan Greenwood (Geschäftsführer) und Ruan Rothmann (Programmierer) vom 14.8.2014, Freelives.net – währenddessen spiele ich Broforce im Koopmodus mit einem anderen Besucher.

Dan: Wie kommt man darauf, ein Spiel wie Broforce zu entwickeln?
Ruan: Wir sind totale Action-Fans und hatten total Lust auf einen Titel, der die Actionhelden aus unserer Kindheit vereint. Ich meine: Wie cool ist das, mit dem Brominator und Rambro oder Bronan the Brobarian Gegner zu killen?

BroforceDan: Broforce ist bereits als Early Access via Steam erhältlich. Wird es auch eine „Sisforce“-Fortsetzung geben?
Evan: Das wäre cool! (lacht) Aber nein, eher nicht. Wir wollen nicht in die ganzen Gender-Equality-Diskussionen einsteigen. Dementsprechend gibt es ja in Broforce auch zwei weibliche Bros, Ellen Ripbro und Cherry Broling, die man spielen kann. Women are bros, just like you and me. It’s a game not about masculinity, but about kicking ass the way you like.

(Während auf dem Bildschirm pixelige Explosionen die letzten Gegner niederstrecken, lasse ich meine Spielfigur in Richtung des Helikopters springen, dessen Abflug das Levelende bedeutet. Mein Mitspieler ist zu weit entfernt, um die Strickleiter zu erreichen).
Ruan: Never leave a bro behind, dude!

Dan: Warum eigentlich BROforce? Hätten HEROforce oder ACTIONforce es nicht auch getan?
Ruan: Wir haben uns immer über diese Jocks [amerik. abwertende Bezeichnung für sportlich aktive junge Männer – Anm. d. Verf.] lustig gemacht, die sich Bros nennen. Wir hatten natürlich auch alternative Namen im Kopf. Aber das Bro ist einfach so viel cooler – und letztenendes ist Bro nicht mehr eine Bezeichnung für Jocks, sondern für Kumpels, Freunde, Buddies.

Dan: Ist das Spiel nicht schon fast überkarikiert brutal? Man metzelt und ballert sich durch den Level, um es zu ‚befreien‘, alles fliegt in die Luft – hätte man da nicht auch eine Stealth-Variante herausbringen können?
Ruan: Schau dir mal die Actionfilme der 1980er und 1990er an, da gibt es eher weniger Stealth-Action. Hauptsächlich läuft alles auf die Schießerei hinaus, und dieses Actionfeeling wollten wir auch haben. Everything’s gotta blow up.

Dan: Wieso ist Broforce ein Spiel, das 8-Bit-Grafiken benutzt? Mittlerweile bieten sich doch Möglichkeiten an, ein Spiel mit vergleichsweise wenig Aufwand in ein 3D-Gewand zu stecken.
Evan: Wir wollten das Spiel so simpel und spaßig wie möglich haben – schließlich geht’s um schnelle Action. Ebenso schnell sollte das Spiel auch fertig werden: Sprites sind leichter zu gestalten. Außerdem können wir das besser. Das andere wäre einfach zu viel Aufwand gewesen.

Dan: Werden 8- und 16-Bit-Grafiken mittlerweile nicht fast inflationär benutzt?
Evan: Nein – im Gegenteil: Es bietet sich eben an, um richtig coole Spiele herzustellen. Man muss auch davon ausgehen, dass nicht jeder Entwickler die Möglichkeit hat, viel Geld in teure Engines zu stecken. Von daher sind solche Grafiken eigentlich kein Zeichen von Ausdruckslosigkeit, sondern zum neuen Stilmittel geworden.

Dan: Du hast erwähnt, dass ihr schnelle Action wolltet. Beim Anspielen bemerke ich, dass das Gameplay entsprechend rasant ist. Was bedeuten so schnelle Spielabläufe für die Qualitätssicherung? Wie kann man da überhaupt Bugs und Glitches finden, um sie auszubessern?
Ruan: Das war wirklich schwierig.
Evan: Wir hatten viele Leute, die die Beta gespielt haben, und uns Feedback gaben. Wir mögen das: So haben wir Spieler von vornherein miteinbezogen und haben so auch neue Vorschläge wie beispielsweise neue Bros erhalten, was uns dabei geholfen hat, das Spiel noch cooler zu machen.


Xtodie:Ragnarok

Foto: Mariam Zakarian

Foto: Mariam Zakarian

Mit der Oculus Rift DK2 und Kopfhörern bieten mir Mariam Zakarian (Art Designerin) und Dario Seyb (Programmierer) stellvertretend für ihr achtköpfiges Team die Möglichkeit, zum ersten Mal einen Hauch virtueller Realität zu erfahren.
Ihr Action-Horror-Spiel Xtodie:Ragnarok befindet sich seit erst einem Monat in Entwicklung, aber schon jetzt flüchte ich vor einem Eisriesen und suche im verschneiten Jotunheim einen Höhleneingang – zu einem Schachtsystem, in dem mich der Fenriswolf erwartet.
Mit meiner Kopf- und Körperdrehung drehe ich mich im Spiel in die Richtung, in die ich laufen will, ein Playstation-2-Controller in meinen Händen lässt mich per Joystickbewegung laufen. Die Controlbox, die als Schnittstelle zwischen Brille und Rechner dient, wandert in meine Hosentasche.

Nachdem ich dem Eisriesen entkommen und in die Höhle geflüchtet bin, verliere ich innerhalb kürzester Zeit die Orientierung im Höhlenlabyrinth. Ich muss den Kopf heben, wenn ich Steigungen in den abgestützten Schächten nehmen will; ich senke ihn unwillkürlich, sobald ich einen Abhang hinunterlaufe. Bereits nach kurzer Zeit treffe ich auf den Fenriswolf, der mir (ein wenig steif und hakelig wirkend) mit gefletschten Zähnen entgegen rennt. Dario hat mir zum Glück erklärt, wie ich Feuerbälle einsetzen kann, um ihn zu vertreiben.
Ich kann mir ein anerkennendes Nicken nicht verkneifen: Das Spiel ist für sein frühes Entwicklungsstadium bereits sehr detailreich und ansprechend ausgestaltet.

Als ich eine Weile durch die Gänge geirrt bin und mich gefühlt schon zwei Mal um mich selbst gedreht habe, setze ich die Brille ab. Die Frage Mariams, ob ich mich dizzy, also schwindlig fühle, kann ich verneinen. Ich muss gestehen: Das war geflunkert – die Oculus Rift und Xtodie:Ragnarok schaffen es, mein Gleichgewicht zumindest bei der Rückkehr in die analoge Realität kurz zu verwirren.


Gods Will Be Watching

Ein kurzer Auszug aus dem Gedächtnisprotokoll des Gesprächs mit Jordi de Paco (Geschäftsführer) und Jorge Plaza (Concept Artist/Programmierer) vom 14.8.2014, Deconstructeam.

Dan: Wie kamt ihr ausgerechnet darauf, Gods Will Be Watching zum Ludum Dare einzureichen? Warum nicht ein Puzzlegame?
Jordi: Hast du mal gesehen, wieviele Puzzlegames da eingereicht wurden? Nee. Das Thema war „Minimalismus“, und wir wollten was anderes machen als nur ein weiteres Puzzle. Okay, letztenendes ist GWBW auch ein Puzzle, aber eines, bei dem man Glück haben muss.

Von rechts nach links: Jordi de Paco, Dan Heck, Jorge Plaza

Von rechts nach links: Jordi de Paco, Dan Heck, Jorge Plaza

Dan: War es eigentlich geplant, dass ich im zweiten Level (der Folterszene) nach Tag 5 gerettet wurde, oder war das einer dieser seltenen Zufalls- und Glücksfälle, die ab und zu in die Spielmechanik eingreifen?
Jordi: Tag 5? (entsetzt) Kann nicht sein. Da hast du bestimmt das Gefühl für die Zeit verloren.

Dan: Wie meinst du das?
Jorge: Wenn du spielst und immer und immer wieder neustartest, dann verlierst du schnell den Überblick. Das passiert ganz oft. (lacht) Vor allem, wenn du im Original-Modus spielst.

Dan: Auf eurer Homepage habt ihr euch maskiert. Hier bei Devolver ist die Stimmung sehr locker und gelöst – seid ihr heute bereit für einen unmaskierten Selfie?
Beide:
Ja klar!


Sabrina Strecker und ich führten außerdem ein längeres Gespräch mit Jonas Kyratzes, dem Co-Autor von The Talos Principle. Das Transkript, das den Fokus auf die Verknüpfung philosophischer, theologischer und wissenschaftlicher Sicht- und Denkweisen in Videospielen rückt, folgt in den nächsten Tagen.

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Über Dan Heck

Dan Heck (dh) hat schon seit langem Faibles für die Zahl 42, Hobbits, Laserschwerter und schönen, heißen, schwarzen Kaffee (Junge!). Deshalb studiert er seit dem Wintersemester '13/'14 den B.A. Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg und schreibt über Videospiele und andere mediale Erscheinungen - stets grammatikalisch, korrekt und ohne Tipfpehler. Als studentische Hilfskraft beschäftigt er sich mit den IT-Wehwehchen des Fachbereichs Psychologie; überschüssige Kreativität investiert er in die Gestaltung von Web- und Printprodukten.