South Park: The Stick of Truth – Die spielbare Episode oder der geschnittene Albtraum?

Die Idylle des kleinen Städtchen South Park trügt mal wieder. Es herrscht ein verbitterter Kampf um den Stab der Wahrheit. Als Neuankömmling gerät man zwischen die Fronten von Menschen und Elben. In dem Computerspiel zu South Park scheint es also heiß herzugehen. So heiß, dass die deutsche Version um drei Wochen auf den 27.03.2013 verschoben werden musste. Grund dafür: ein vergessenes Hakenkreuz. Wie sieht nun die Zensur in South Park: The Stick of Truth aus? Und wie (gut) funktioniert überhaupt die Übertragung der Serie in das Medium Computerspiel?

Abb. 1: Retro-Kanada

Bei dem verbitterten Kampf handelt es sich natürlich um ein infantiles Rollenspiel zwischen Stan, Kyle, Kenny und Cartman. Das Rollenspiel wird aber auch innerhalb der Diegese als Computerspiel gerahmt. Wenn etwa Cartman in einer langen Cut Scene einwirft: „Can we skip this? Like hit the skip button or something?” oder Kanada in Retro-Rollenspiel-Grafik dargestellt wird (Abb. 1), eröffnet sich eine zweite – selbstreflexive – Ebene.

Die Selbstthematisierung des eigenen Mediums kommt nicht von ungefähr. Auch die Fernsehserie verweist auf ihre eigene Medialität:

Die Serie South Park demonstriert die konservierende und konservative Kraft der Episodenserie (…), indem sie am Beispiel von Kennys Tod zeigt, dass selbst der Tod von Hauptfiguren dem zirkulären Prinzip der episodischen Handlung nichts anhaben kann. (…) Indem jedes Ereignis – sogar der Tod – folgenlos bleibt, treibt South Park eine fröhliche Auslegung des Episodischen auf die Spitze.[1]

Indem Kenny stirbt und in jeder neuen Folge wieder aufersteht, bleibt sein Tod für die Serie bedeutungslos. Das heißt, dass jede Folge von South Park für sich selbst stehen kann.[2] In The Stick of Truth funktioniert Kennys Tod ebenfalls als Verweis auf die eigene Medialität. Denn grade im Computerspiel ist der Tod in der Regel nicht final. Die Wiederauferstehung des toten Helden wird zur Regel gemacht.[3] Dadurch verweist Kennys Unsterblichkeit unmittelbar auf die Unsterblichkeit des Computerspielhelden.[4] Wenn Kenny im rundenbasierten Kampf stirbt, wird er wiederbelebt – als Folge seiner Spezialfähigkeit. Tod und Wiederauferstehung wird damit Teil des Kampfsystems im Spiel.

Das Kampfsystem ist wiederum eine Anspielung auf klassische, rundenbasierte Rollenspiele à la Final Fantasy oder Pokémon. Besonders gelungen sind dabei die Anspielungen auf die Serie. So gibt es beispielsweise das Ausrambolen aus der fünften Staffel. Das Kampfsystem ist anderseits leider nicht sehr anspruchsvoll und richtet sich vor allem an Einsteiger. Durch die tollen Anspielungen auf die Serie dürfte das Fans jedoch nicht sonderlich stören. Viel zu sehr ist man damit beschäftigt die vielen kleinen Verweise auszumachen.

Wie die Serie, strotzt auch The Stick of Truth mit reichlich (pop)kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Referenzen. Den Großteil davon übernimmt das Spiel aus der Serie. Beispielsweise trifft man auf Al Gore, der wiedermal jagt auf ManBearPig macht oder auf Jesus, der sich vor einem in der Kirche versteckt. The Stick of Truth ist also, wie auch schon die Serie, durch und durch eine Satire auf die westliche Gesellschaft und deren (Pop)-Kultur. Deshalb nimmt sich South Park auch kein Stück ernst. „Lehren werden nicht gezogen – und wenn, dann nur ironisch, um das Ziehen von Lehren selbst lächerlich zu machen.“[5] Wenn etwa der Big Bad Government Guy (!) äußert: „God dammit. I am so tired of Nazi zombies. It’s so overused“, dann kritisiert er damit den inflationären Gebrauch von Nazi-Zombies in den Medien.[6] Die Ironie liegt nun darin, dass Nazi-Zombies in The Stick of Truth  zu einem zentralen Thema des Spiels gemacht werden.

Genau hier liegt das Problem in der geschnittenen (deutschen) Version. Die Zensur nimmt solchen popkulturellen Referenzen den Wind aus den Segeln. Es wird nicht das dritte Reich oder der Nationalsozialismus an sich thematisiert, sondern die Thematisierung davon in der Popkultur. D. h. es geht hier um die Metaebene. Wie soll sich aber  The Stick of Truth als Satire entfalten können, wenn es auf Grund von verbotenen Symbolen zensiert wird. Noch absurder wird die Sache, wenn man sich bewusst macht, dass die Serie scheinbar die Voraussetzungen erfüllt Hakenkreuze abbilden zu dürfen.[7] Warum darf Cartman in der Serie ein Hakenkreuz tragen (Abb. 2),  die Nazi-Zombies im Spiel aber nicht?

Abb. 2: In der Serie darf sich Cartman an Halloween als Hitler verkleiden (S01E07).

Ganz einfach: Computerspiele und ihre Rezipienten scheinen immer noch nicht als erwachsen genug eingestuft zu werden. Sogar die Zeichentrickserie genießt diesbezüglich einen höheren Status. Wie gezeigt wurde, sind Spiel und Serie inhaltlich, aber auch optisch ohnehin kaum zu unterscheiden. Deshalb kann auch nicht gesagt werden, dass die Serie kulturell oder künstlerisch anspruchsvoller sei. Die Zensur wird also nicht inhaltlich festgemacht, sondern hat ihren Ursprung im Medium selbst:

In der Tat hätte es heute in Deutschland ein Computerspiel sehr schwer, wenn es in ähnlich überspitzer Weise wie das Tarantino-Werk von Hakenkreuzfahnen eingerahmte Gewalthandlungen präsentierte. Der Film dagegen hat sogar eine FSK-Freigabe ab 16 bekommen. Scheinbar löst schon das Medium “Computerspiel” in vielen Köpfen noch einen Ablehnungsreflex aus.[8]

Wie sieht die Zensur in The Stick of Truth nun konkret aus? Sagen wir es so: man erkennt nicht mehr viel vom eigentlichen Spiel. Anstatt die Symbole auszutauschen, wurden schwarze Balken verwendet. Dabei geht enorm viel Atmosphäre verloren, weil die Balken der Spielwelt aufgesetzt wirken und nicht in die Diegese des Spiels passen. Sogar die Armbewegung ist durch einen schwarzen Balken zensiert. Als Folge erkennt man nicht mal mehr das Gesicht (Abb.3.). Wo bleibt da noch die künstlerische Freiheit und der satirische Charakter?

Abb. 3

Abb. 3: Nazi-Zombie unzensiert (links) und zensiert (rechts).

Auch die Stimmen wurden ausgetauscht. In der ungeschnitten Fassung hört man Originalaufnahmen aus der Nazi-Zeit. In der geschnitten Fassung wurden diese lediglich (schlecht) nachsynchronisiert. Fast noch schlimmer sind aber die Texteinblendungen, die ganze Spielszenen ersetzen. Während PC-Spieler die Szene zu sehen bekommen, müssen Konsolenspieler darauf verzichten.[9] Da kann man sich nur fragen: Warum eigentlich? Müssen nur Konsolenspieler vor diesen bösen und grausamen Bildern geschützt werden? Es ist kein Wunder, dass sich der Entwickler da seine eigene Facepalm verpasst (Abb. 4). Die Problematik der Zensur scheint also den Entwicklern durchaus bewusst zu sein, wird aber als notwendiges Übel akzeptiert

Abb. 4

Abb. 4: Oben das Originalbild, unten die geschnittene Konsolenversion.

Die Übertragung der Serie South Park in das Medium Computerspiel funktioniert sehr gut. An einigen Stellen lässt sich fast kein Unterschied ausmachen.[10] South Park ist und bleibt Satire durch und durch. Die Zensur wirkt dem aber leider entgegen. Kann eine solche Zensierung also wirklich zweckmäßig sein? Wohl kaum. Wird sie uns davor schützen Nazi-Zombies zu werden? Ich bezweifel‘ es zu tiefst.

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[1] Ruchatz, Jenz (2012): „Sisyphos sieht fern oder Was waren Episodenserien?“, in: Die Serie, hrsg. v. Benjamin Beil, Lorenz Engell, u. a., Zürich: Diaphanes, S. 89.

[2] Jedenfalls die ersten 78 Episoden (vgl. ebd.).

[3] Vgl. Wenz, Karin. (2012): „Death and Resurrection“, in: Encyclopedia of Video Games. The Culture, Technology, and Art of Gaming, hrsg. v. Mark Wolf, Santa Barbara: Greenwood, S. 161. Siehe auch Neitzel, Britta (2008): „Zurück auf Anfang. Zum Tod in Computerspielen“, in: Ende – Mediale Inszenierungen von Tod und Sterben, hrsg. v. Heinz Heller und Angela Krewani, Marburg: Schüren, S. 82.

[4] Permadeath-Spiele einmal ausgenommen.

[5] Ruchatz 2012, S. 88.

[6] Bspw. Filme, wie Dead Snow oder Computerspiele, wie Wolfenstein.

[7] Ob es überhaupt sinnvoll ist Hakenkreuze abzubilden, ist eine andere Frage und wurde bereits vom Kollegen Simond diskutiert. Siehe Simond, Stefan (2012): „Das Hakenkreuz in Videospielen“, URL: http://www.ps3-talk.de/blogs/stefan-simond/613-das-hakenkreuz-videospielen.html (24.03.2013).

[8] Hilgert, Felix (2011): “Viele Filme wären verboten, wären sie Computerspiele.”, URL: http://spielerecht.de/viele-filme-waren-verboten-waren-sie-computerspiele/ (24.03.2013).

[9] Einen ausführlichen Vergleich gibt es hier zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=vEoENasq17U (24.03.13).

[10] Das kann man auch daran erkennen, dass auf der Facebook-Seite von South Park kein Unterschied zwischen Bildern aus der Serie und Bildern aus dem Spiel gemacht wird.

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Über Kevin Pauliks

Kevin Pauliks (kp) studierte von 2011 bis 2016 Medienwissenschaft und Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Als Redakteur von Pixeldiskurs hegt er ein besonderes Interesse an Adventure-Games und Serien aller Art.