Adventure mit Hirn: Stick It To The Man

Es war wirklich nicht so dramatisch, als Ray einen Hammer auf den Kopf bekam. Leichte Kopfschmerzen, besser mal den Rest des Tages frei machen. Doch als er auf dem Heimweg von einem mysteriösen Artefakt, das vom Himmel fällt, getroffen wird, verändert sich seine Wahrnehmung doch dezent. Er wacht aus einem komatösen Schlaf auf und die Welt kommt ihm so zweidimensional vor. Was sie auch ist…ein bisschen. Eine pinke Spaghetti-Hand glibbert aus seiner Schädeldecke und ermöglicht ihm, die Gedanken anderer Leute zu lesen und Gegenstände wie Sticker an unterschiedliche Oberflächen zu kleben.

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Ray möchte eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Stattdessen wird er von zwielichtigen Agenten verfolgt, muss sich einer Hypnotherapie unterziehen, welche ihn in die Tiefen seines Unterbewusstseins führt, nur um anschließend in einer psychiatrischen Klinik zu landen. In einzelnen Kapiteln stolpert Ray durch offene Areale, deren visuelle Gestaltung sich irgendwo zwischen der Abstrusität zeitgenössischer Comics und dem deutschen Expressionismus eines Dr. Caligari verort lässt.

Spielerisch legt Stick It To The Man einen Schwerpunkt auf komplexer werdende Rätsel. Ähnlich wie in Ron Gilberts The Cave verfügt Ray dabei nur über sehr reduzierte Fähigkeiten, weshalb echte Kopfnüsse rar gesät sind. Was in den triefenden Tiefen von The Cave schändlich vernachlässigt wurde, entpuppt sich allerdings als echte Tugend für Stick It To The Man: Die Charaktere sind liebevoll gestaltet, die englische (!) Vertonung ist famos und der Humor steckt voller Referenzen. Die Nerdigkeit des schwedischen Studios Zoink!1 fließt förmlich aus allen Pixelporen.

1 Bisher tobte sich das kleine Studio rund um Klaus Lyngeled mit Adventure Time und Swing King auf dem iOS und mit WeeWaa auf der Wii aus.

Während die Rätsel samt der seichten Geschicklichkeitspassagen gut unterhalten, ist es besonders die hingebungsvolle Skurrilität, mit der das Adventure überzeugt. Unter den selbstironischen Kommentaren und humorvollen Karikaturen schlummert vor allem eine zynische Auseinandersetzung mit der Geisteskrankheit. Wahnvorstellung, Depression, Psychoanalyse. Wer therapiert hier eigentlich wen? So überdreht und urkomisch wie Spongebob Schwammkopf, untermalt mit dem Soundtrack von The Big Lebowski.

Stefan meint:

Rays Abenteuer mag nicht die Welt verändern, aber es hat Charme. Und davon sogar eine Menge! Die Knobeleien sind stets angenehm, verursachen nur bedingt Denkschmerzen, wissen aber dennoch durch ihre Verschrobenheit zu fesseln. Wer von der penetranten Redundanz von The Cave eher genervt war – so wie ich – und sich dennoch nach einem liebevollen Adventure sehnt – so wie ich -, der sollte Stick It To The Man eine Chance geben.

Stick It To The Man erscheint am 20. November 2013 für ca. 13 Euro im PlayStation Store. Eine Vita-Version ist für Mitte Dezember angekündigt. Dank Cross-Buy erhalten BesitzerInnen beider Konsolen die jeweils andere Version kostenlos.

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Über Stefan Heinrich Simond

Stefan Heinrich Simond (shs) publiziert und unterrichtet im Bereich der Game Studies am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Er promoviert zur Konstruktion psychischer Krankheiten und psychiatrischer Institutionen in digitalen Spielen, ist Chefredakteur bei pixeldiskurs.de und hostet den wöchentlichen Pixeldiskurs-Podcasts.